Europa
Sieg der Nationalisten sei Schlag ins Gesicht für internationale Gemeinschaft
Wien - Internationale Zeitungen widmen am Dienstag dem Sieg
der nationalistisch orientierten Politiker und Parteien bei den
allgemeinen Wahlen in Bosnien-Herzegowina zahlreiche Kommentare."Neue Zürcher Zeitung"
"Das zwar noch nicht definitive, aber eindeutige Resultat muss von
der so genannten internationalen Gemeinschaft als ein Schlag ins
Gesicht empfunden werden. Der bosnischen Bevölkerung war vor den
Wahlen von internationaler Seite eingehämmert worden, dass sich das
Land nur dann wirtschaftlich erholen und in Europa integrieren werde,
wenn die reformorientierten Politiker die Geschicke des Landes
bestimmten. Im Falle eines Siegs der Nationalisten drohe dem Land ein
politischer und wirtschaftlicher Rückfall. Die westlichen Protektoren
müssen nun aber zur Kenntnis nehmen, dass sich die Bosnier in ihrer
Mehrheit von diesen Mahnungen und düsteren Prophezeiungen in keiner
Weise beeindrucken ließen."
"Frankfurter Allgemeine Zeitung"
"Die SDP, die im Gegensatz zu den nationalistischen Kräften nicht
als parlamentarischer Arm einer der drei großen Bevölkerungsgruppen
des Staates auftritt, hatte bei den Wahlen im November 2000 einen
Erfolg erzielt, der vor allem bei Vertretern der Staatengemeinschaft
die Hoffnung weckte, dass die Zeit der ethnozentrischen
Klientelparteien in dem Land zu Ende gehe. Die ersten offiziellen
Wahlresultate aus Sarajevo verdeutlichten am Montag indes, dass davon
trotz der anders lautenden Interpretation von Ashdown vorerst nicht
die Rede sein kann."
"Frankfurter Rundschau"
"Der Wahltag in Bosnien war der Tag der Wahrheit. Die Erfolge für
die nationalistischen Parteien der moslemischen, kroatischen und
serbischen Bevölkerungsgruppen legen offen, wie weit die Bürger von
der europäischen Vision eines multiethnischen Staates entfernt sind.
Identitätsstiftend ist für die meisten Bosnier unverändert die
ethnische Zugehörigkeit und damit auch die Unterstützung für die
alten Kriegsparteien. Nur eine Minderheit versteht sich als bosnische
Staatsbürger und fand ein Votum für die multiethnischen
Sozialdemokraten nach deren zweijähriger Regierungszeit noch
attraktiv."
"Berliner Zeitung"
"Bosnien-Herzegowina als Staat, in dem die völkischen Grenzen
überwunden sind, ist eine Vision geblieben. In Wirklichkeit besteht
das Land weiterhin aus drei konkurrierenden Kleinstaaten und einer
internationalen Aufsichtsbehörde. Multi-ethnisch sind in
Bosnien-Herzegowina nur die beiden wichtigsten Wirtschaftszweige:
Kriminalität und Korruption. Sie kennen keine Grenzen. Doch die
Verbrechen brauchen Menschen, die in Grenzen denken und in Grenzen
wählen." (APA)