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Frank May/dpa/APA
Und immer lauter werden Stimmen, von Länder- auf Themenschwerpunkte umzusteigen: vorerst vergebens.

Nicht alle Tage sind grau am Main. Es ist an der Zeit, von den positiven Signalen zu berichten, die diese in Schwermut versunkene 54. Frankfurter Buchmesse geradezu verschämt setzt, - oder ihre Aussteller. Jene aus Österreich zum Beispiel. Nie seit Antritt der nun wieder abgetretenen Regierung feierte man so einvernehmlich und opulent im ehrwürdigen Städel Museum. Nicht nur vergessen war die anfängliche Skepsis. Kein Wort war glanzvoll genug, um der Zuneigung Ausdruck zu verleihen, mit der der Präsident des Hauptverbands des Österreichischen Buchhandels, Anton Hilscher, und Kunststaatssekretär Franz Morak einander Kränze des Verdienstes ums Haupt lobten. "Insgesamt sehen wir in Ihnen einen ganz besonderen Freund", resümierte Hilscher die nunmehr etablierte Liebesbeziehung.

Der besondere Freund hatte zudem die besondere Ehre, auf dem Fest der Buchhändler "eine außenministerische Autorin" begrüßen zu dürfen. Benita Ferrero-Waldner zögerte nicht, doppelt legitimiert durch erschriebene und erheiratete Kompetenz ("Ich bin mit einem spanischen Literaturprofessor verheiratet"), den Wert des Buches zu würdigen: "Lassen Sie mich sagen: Aus meiner Sicht ist Lesen nach wie vor enorm wichtig."

Zur Krönung erhielt an diesem Abend der Liebe Hilmar Hoffmann, Exkulturdezernent der Stadt Frankfurt, das Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen.

Zurück kroch die Schwermut hingegen auf dem alljährlichen Höhepunkt der Buchmessenfestivitäten: dem Empfang bei Suhrkamp. Hatten die Einladungskarten noch in die Klettenbergstraße im noblen Nordend geladen, in das Privathaus Siegfried Unselds, auf dessen blauen Teppichböden das Fest seit Jahren begangen wird, mussten die geladenen Gäste schließlich doch mit dem grauen Linoleum der Verlagsräume vorlieb nehmen.

Unseld, der seit Monaten schwer krank zu Bett liegt, gehe es, so war zu vernehmen, zwar besser. Allein, der nunmehrige Verlagsleiters Günter Berg und Unseld-Gattin Ulla Berkéwicz, die, um Mutmaßungen über die Führungslosigkeit des Hauses entgegenwirken, indem sie die Regelungsmodalitäten nach Unselds Tod erläuterten, verbreiteten wenig Feststimmung.

Zukunftskongress

Es blieb dabei: Jeder Blick in die Zukunft auf dieser Buchmesse war ein sorgenvoller. So fand auch das Großprojekt von Exmesseleiter Lorenzo Rudolf, gedacht, die Länderschwerpunkte künftig durch Themenprojekte zu ersetzen, kaum Erwähnung.

Unter dem Titel "Frankfurt Futura Mundi - Bridges for a World Divided" hatte Rudolf einen Zukunftskongress ins Leben gerufen, in dessen Zentrum ein zwölfstündiges Symposium steht, auf welchem am Samstag fünfzig Autoren und Wissenschafter - darunter Slavoj Zizek, Amos Oz, Daniel Cohn-Bendit, Naomi Klein, Assia Djebar und Rohinton Mistry - über Fragen von Gleichheit und Gerechtigkeit im Kontext der Globalisierung debattieren.

Nach Rudolfs Willen sollte die Veranstaltung künftig, alljährlich fortgesetzt, die Buchmesse als Ort der intellektuellen Debatte neu positionieren, ein literarischer "Club of Francfort" gewissermaßen. Momentan allerdings scheint das neuaufgeschlagene Kapitel Messen-Geschichte bereits wieder geschlossen. Rudolf-Nachfolger Volker Neumann verriet wenig Debatten-Enthusiasmus. Nur eines scheint bisher klar: Die Länderschwerpunkte werden, anders, als von Rudolf geplant, auch nach 2003 - wo Russland den literarischen Gast gibt - stattfinden.

Eine andere wichtige Neuerung existiert bisher leider nur auf dem Papier. Unter dem Schock der Pisa-Studie, die Deutschlands Jugend bescheinigte, zu fast einem Viertel aus Analphabeten zu bestehen, besann sich die Messe auf den Wert des Kinder- und Jugendbuchs. Vermehrt erheben sich nun Stimmen, die darauf verwiesen, dass zum Leser nur wird, wer die Liebe zum Buch in früher Jugend kennen lernt.

Zudem ist das gern belächelte Kinder- und Jugendbuch des deutschen Sprachraums größte Wachstumsbranche. 22 Prozent, also knapp ein Viertel aller Lizenzen für Übersetzungen deutscher Bücher in Fremdsprachen, sind Kinderbücher. Noch vor zehn Jahren machten sie nur gut elf Prozent der Titel aus. Vor allem im asiatischen Sprachraum - in China, Japan und Korea - lieben Kinder deutsche Bücher.

Kinderbuch-Forum

Gründe genug also, von kommendem Jahr an ein "Forum Kinder- und Jugendbuch" einzurichten mit zahlreichen Veranstaltungen, Lesungen und Diskussionen zum Thema. Der Erfolg dieses Forums allerdings wird stark davon abhängen, wer sich für die Planung findet. Noch fehlt ein inhaltlich engagierter Programm-Verantwortlicher, wie man ihn etwa im Comic-Bereich mit Wolfgang Strzyz gefunden hat.

Strzyz war es gelungen, mit seinem Enthusiasmus das Comic-Zentrum zum innovativsten Punkt der Messe auszubauen, einem Treffpunkt für Kenner der Szene. Die Aussteller danken es ihm. Ihre Zahl hat sich in drei Jahren verdreifacht. Heuer fanden erstmals die großen japanischen Manga-Verlage den Weg nach Frankfurt.

Wie aufrichtig mitunter allerdings verbales Engagement zu werten ist, erwies zuletzt ein Blick in die Kojen des Rowohlt Verlages. Dort herrschte nach der Bekanntgabe des Nobelpreises an Rowohlt-Autor Imre Kertész eitel Glück und Stolz. Woran sich kein Anwesender zu erinnern schien:

Imre Kertész war, wie viele mittel- und osteuropäische Autoren, im Rahmen der Neugründung einer Berliner Dependance (Rowohlt Berlin) des Reinbeker Hauses nach dem Mauerfall bei Rowohlt verlegt worden, nach einer Idee des damaligen Rowohlt-Chefs und späteren Kulturstaatsministers Michael Naumann. Vor zwei Jahren allerdings ging Verlegerin Ingke Brodersen, deren überzeugtem Engagement sich eine qualitativ hochwertigste Programmlinie verdankte, im Unfrieden: Die Durchleuchtung des Verlages durch McKinsey hatte ergeben, dass die Autoren aus dem Osten keine ausreichend "zugkräftigen Namen" besäßen. Das Programm wurde umstrukturiert. (DER STANDARD; Printausgabe, 12.10.2002)