"Jetzt verdunkeln wir, ihr wisst warum", sagt die Lehrerin. In den Klassenzimmern der deutschen Schule bei Washington sind die Jalousien unten. "Wir hoffen, dass der Schütze bald gefasst wird, sonst kommt Klaustrophobie auf", sagt Direktor Hans Klaustermeyer.Der kaltblütige Heckenschütze versetzt den Großraum Washington in Angst und Schrecken. Auch das Schussattentat an einer Tankstelle im US-Staat Virginia geht auf das Konto des Unbekannten. Ballistische Vergleiche der Kugeln zeigen es. Und am Freitag gab es wieder Schüsse - an einer Exxon-Tankstelle nahe Fredericksburg, etwa 70 Kilometer südlich der Hauptstadt. Ein Mann wurde verletzt. Die Polizei gab Großalarm und sperrte eine der wichtigsten Verbindungsstraßen der Region. Es kann jeden treffen Der Täter lauert Ahnungslosen im Freien auf und gibt aus großer Distanz immer nur einen Schuss ab. Bis Freitag wurden sieben Menschen erschossen, drei verletzt, darunter ein 13-jähriger Schüler. Seit dem Attentat auf den Jugendlichen ist klar, dass der Schütze bei der Auswahl seiner Opfer keine Schranken kennt. Es kann jeden treffen. Chief Charles A. Moose, der leitende Polizeibeamte von Montgomery County, appellierte unter Tränen an alle Eltern: "Unsere Kinder verdienen das nicht. Bitte, Eltern, schützt eure Kinder." Er hätte auch sagen können: Die Polizei ist machtlos. "Mr. Policeman, I am God." Später zeigte Moose seine Entrüstung darüber, dass das bis dahin streng gehütete Geheimnis der Tarotkarte an die Öffentlichkeit kam. Die Karte XIII zeigt den Tod und eine Botschaft: "Mr. Policeman, I am God." Bis Ende der Woche gab es außer dieser Tarotkarte nur wenige Hinweise auf den Täter: Er muss geübt sein im Präzisionsschießen und fährt möglicherweise einen weißen Geländewagen, Dodge Caravan oder Chevrolett - jedenfalls lassen Zeugenaussagen darauf schließen. Sonntag findet im Washingtoner FedEx-Stadion der Football-Schlager Washington Redskins gegen New Orleans Saints statt. Unter den 80.000 erwarteten Fans könnte der Täter ein Opfer aussuchen, wird befürchtet. "Die Medien überfluten die Wohnzimmer geradezu mit Informationen. Wir empfehlen Eltern dringend auszuwählen, was und wie viel ihre Kinder im Fernsehen verfolgen", sagt Dudley Warner, Direktor des Krisenzentrums von Montgomery County. "Die Leute sind verstört und glauben, sich sicherer zu fühlen, wenn sie so viel wie möglich über die Geschichte hören. Das geht aber nach hinten los: Sie werden nur noch verzagter." 8Susi Schneider aus New York /DER STANDARD, Printausgab2, 12.10.2002)