Deutschland
Euro-Kriterien können 2002 nicht eingehalten werden
Trotz aller Sparmaßnahmen liegt das Staatsdefizit über dem Erlaubten - Eichel erwägt Nachtragshaushalt für 2002
Berlin - Trotz aller Sparmaßnahmen schafft Deutschland dieses Jahr die Euro-Kriterien nicht. Wegen der miserablen Situation
bei den Steuereinnahmen korrigierte Finanzminister Hans Eichel am
Mittwoch in Berlin seine Angaben zum deutschen Staatsdefizit nach
oben. Die Drei-Prozent-Grenze werde auf Grund eines Milliardenlochs
im laufenden Etat nicht eingehalten. Der Sozialdemokrat erwägt sogar
einen Nachtragshaushalt für 2002. Die Entscheidung werde er nach der
Steuerschätzung im November fällen. Drei Tage nach der Bundestagswahl hatte Eichel für 2002 noch 2,9
Prozent an die EU-Kommission gemeldet. Nach der Korrektur muss
Deutschland mit einer Verwarnung (blauer Brief) aus Brüssel rechnen.
Die Nichteinhaltung der Euro-Kriterien kann für ein Land empfindliche
Geldstrafen nach sich ziehen.
Zu wenig Steuereinnnahmen
Die nach Brüssel übermittelte Aussage sei nicht mehr zu halten,
unterstrich Eichel. Die Steuereinnahmen zeigten weiter nach unten,
was die Lage schwieriger mache. Sie hätten im September leicht unter
dem Wert des Vorjahresmonats gelegen. Bei der Herbst-Schätzung seien
im Vergleich zur Mai-Prognose weitere Abstriche zu erwarten. Erst
kommendes Jahr sei eine Besserung in Sicht.
Im Nachrichtensender N-TV betonte der SPD-Politiker: "Wir werden
uns aus Brüssel über ein übermäßiges Defizit konfrontiert sehen."
Nächstes Jahr werde Deutschland das Defizit-Kriterium allerdings
einhalten, weil die Konjunktur anziehe und dies mehr Steuereinnahmen
bringe. Die Koalition habe mit ihren Sparbeschlüssen den Weg geebnet,
dass Deutschland alle Kriterien einhalte.
Mehr Spielraum gefordert
Frankreich, Deutschland, Italien und vor allem Portugal haben
erhebliche Schwierigkeiten mit den Kriterien. Deutschland und
Frankreich plädierten bereits für mehr Spielraum bei der Einhaltung
der Euro-Regeln. Bundeskanzler Gerhard Schröder forderte mehr
Flexibilität je nach konjunktureller Situation.
Das Staatsdefizit drückt die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben
der öffentlichen Haushalte eines Landes aus, die mittels
Neuverschuldung geschlossen werden muss. Nach dem Maastricht-Vertrag
sind drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erlaubt. (APA/AP)