Keine Frage: Die ärmsten Länder brauchen mehr Geld. Ein Schuldenerlass kann ihnen Geld bringen, vorausgesetzt, der Ertrag wird nicht gleich für eine neue Limousine für ein afrikanisches Staatsoberhaupt ausgegeben. Die neue verstärkte HIPC-Initiative, die Schuldenerlass mit einem auf Armutsbekämpfung und Wirtschaftsreformen abzielendes Programm verbindet, geht auch in die richtige Richtung, könnte jedoch auf noch mehr arme Länder ausgedehnt werden. Darüber hinaus ließe sich diese Initiative schneller umsetzen, wenn sie mit den Bemühungen um erhöhte Entwicklungshilfe verknüpft würde. Und warum sollte man nicht alle multi- und bilateralen sowie privaten Gläubiger im HIPC-Fonds zusammenbringen und diesen stärker an die Entwicklungsziele der UNO koppeln? Auch eine Erhöhung der Entwicklungshilfe kann Geld bringen. Der reiche Westen gewährte im Jahr 1990 für jeden Afrikaner durchschnittlich 32 Dollar Hilfe. Inzwischen hat sich dieser Betrag praktisch halbiert. Dabei müsste er verdoppelt werden, wenn auch unter bestimmten Bedingungen. Die Entwicklungshilfe muss kosteneffizienter werden, angefangen in der EU. Die Kredite sind über nationale Haushalte verstreut; sie unterliegen Reflexen aus der Kolonialzeit und sind dem Verlangen der Handelspromotoren ausgesetzt. Die Nichtregierungsorganisationen leiden unter Bürokratisierung. Die internen Betriebsmittel verschlingen einen guten Teil der Gelder. Noch immer ist das Vorgehen der westlichen NRO und Entwicklungsstellen häufig von Paternalismus geprägt. Manchmal übernehmen sie sogar einen Teil der Regierungsfunktion in armen Ländern, obwohl doch gerade die Emanzipation der Menschen in diesen Ländern die Voraussetzung für Entwicklung und Wohlstand ist. Daher müssen wir es wagen, den armen Ländern eine gewichtigere Stimme zu geben. Sie formulieren ihre Bedürfnisse sehr eindringlich, aber oft werden sie nicht gehört. Mein Vorschlag, eine auf kontinentalen Kooperationsbeziehungen basierende internationale politische Behörde ins Leben zu rufen, ermöglicht eine multipolare demokratische Abstimmung auf globaler Ebene, bei der die Stimme der ärmsten Kontinente mehr Gewicht hätte als in der Vergangenheit. Wir in Europa könnten wiederum eine intensivere Zusammenarbeit mit der afrikanischen Union entwickeln, unter anderem auf der Grundlage der "New Partnership for Africa's Development", die alle Bestandteile des neues Entwicklungskonsens umfasst. Die Armut in der Welt verlangt ein gemeinsames Vorgehen. Der einzuschlagende Weg - Freihandel, aber nicht nur Freihandel - steht bereits seit geraumer Zeit fest. Nun ist es Zeit, dort, wo der freie Markt seine Schwächen zeigt, zu handeln und einzugreifen. Wie Benjamin Barber sagte: "Wenn die Gerechtigkeit nicht gleichmäßig verteilt werden kann, wird sich die Ungerechtigkeit gleich verteilen. Wenn nicht jeder am Wohlstand teilhaben kann, wird die - materielle und geistige - Verarmung unser aller Los sein. Dies ist die harte Lektion der gegenseitigen Abhängigkeit" - und die Herausforderung, der wir uns stellen müssen. In unserem eigenen Interesse. (DER STANDARD, Printausgabe 21.10.2002)