Mensch
Pädophil durch Hirntumor?
"New Scientist"-Bericht über 40-jährigen Mann, dessen plötzlich aufgetauchte Neigung nach der Operation wieder verschwand
London - Hirntumore scheinen pädophiles Verhalten
auslösen zu können. Wie das britische Wissenschaftsmagazin "New Scientist" am
Montag in seiner Online-Ausgabe
berichtete, entwickelte ein 40-jähriger Lehrer unter dem Einfluss
eines schweren Hirntumors zuvor - zumindest soweit bekannt - nicht vorhandene pädophile Neigungen.
Durch eine Operation konnte er geheilt werden, wurde aber durch ein
Nachwachsen des Tumors "rückfällig" und durch eine weitere Operation
erneut kuriert. Der Patient, dessen Nationalität nicht bekannt gegeben wurde,
verlor den wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge unter dem
Einfluss eines Hühnerei-großen Tumors jegliche Hemmung. Ganz
offensichtlich sei die Pädophilie in Verbindung mit dem Hirnschaden
gestanden, zitierte das Blatt die Neurologen Russell Swerdlow und
Jeffrey Burns von der US-Universität von Virginia.
Fallgeschichte
Der verheiratete Patient hatte dem Bericht zufolge zunächst
heimlich angefangen, Internet-Seiten mit Kinderpornos anzuschauen und
Prostituierte in Massagesalons aufzusuchen. Als er sich an kleine
Kinder heranmachte, wurde er aus seinem Haus geworfen und wegen
Belästigung verurteilt. Der Patient erhielt triebhemmende
Medikamente. Selbst ein Programm für Anonyme Sex-Süchtige konnte
keine grundlegende Änderung bewirken; nachdem er dort
Kursteilnehmerinnen zum Sex aufforderte, ordnete ein Richter seine
Einlieferung ins Gefängnis an.
Kurz vor dem Hafttermin meldete sich der Mann in einem
Krankenhaus. Er beschwerte sich über heftige Kopfschmerzen und sagte,
er habe Angst, er könnte seine Vermieterin vergewaltigen. In
psychiatrischer Behandlung klagte er über Gleichgewichtsstörungen.
Beim Scannen mit Magnetresonanz-Tomographie (Magnetic Resonance
Imaging, MRI) wurde der riesige Tumor entdeckt. Tests ergaben, dass
er auch Probleme beim Schreiben und Abzeichnen hatte und seinen
Harndrang nicht kontrollieren konnte.
Auf und Ab
Nach der Entfernung des Krebsgeschwürs absolvierte der Patient
zunächst erfolgreich das Programm für anonyme Sex-Süchtige und konnte
wieder nach Hause gehen. Im Oktober vergangenen Jahres klagte er
jedoch erneut über Kopfschmerzen und sammelte wieder heimlich
pornografische Bilder. Der Tumor war nachgewachsen; das Verhalten des
Lehrers normalisierte sich erst nach einer weiteren Operation.
Das Krebsgeschwür fand sich den Angaben zufolge im rechten Lappen
der vorderen Hirnrinde (Orbifrontaler Kortex); diese Hirnregion ist
zuständig für Urteilsfähigkeit, die Steuerung von Impulsen und
soziales Verhalten. Der Patient merkte nach Ansicht Swerdlows zwar,
dass sein Verhalten unakzeptabel wurde, der Triebdrang war aber
stärker. "Wir haben es hier mit einem Problem an der Grenze von
Nervenkunde und Moral zu tun", sagte Swerdlow. Sein Kollege Burns
wies darauf hin, dass dieser Patient - im Gegensatz zu den meisten
Pädophilen - zunächst eine "normale Geschichte" gehabt habe. Bei
Pädophilen werde diese Neigung sonst schon "früh im Leben"
ausgeprägt.
(APA)