Inland
"Manche Ecken muss man meiden"
In Floridsdorf gibt es massive Probleme mit rechtsextremen Skinheads
Wien - Auf dem Sofa liegt ein
Bündel Stöcke. Fabian nickt:
"Wenn sie wiederkommen,
wehren wir uns."Sie, das sind die lokalen
Skins. Plattenbaujugendliche.
Statt Springerstiefeln tragen
sie Turnschuhe. "Pit Bull"
oder "Lonsdale" steht auf den
Jacken. Manchmal. Man erkennt sie aber auch so. An
Straßenecken, bei Umsteigebahnhöfen oder in Parks.
"Gabba Skins" ist der aktuelle
Name. Der ist austauschbar.
Fabian ist 18 Jahre alt und
Student. Am Samstag hatte er
Glück: Da kam er erst ins Lokal
der sozialistischen Jugend in
Floridsdorf, als die Polizei
schon da war. Weil die Beamten, seufzt Fabian, "nicht
mehr gemütlich gehen, wenn
wir anrufen, sondern rennen."
Auch letzten Samstag war
die Polizei schnell in dem
kleinen Lokal im tristen Einkaufspark an der Brünner
Straße. Aber nicht schnell genug: Ulrich (19, Angestellter)
kann kaum gehen. Thomas
(16, Schüler) versteckt ein
blaues Aug und ein recht verschwollenes Gesicht hinter
seinen Haaren. Andere habe
es auch "ganz schön erwischt." Am Samstag. Als die
Skins zuschlugen. Wieder
einmal. "Heil Haider", haben
sie dabei gerufen.
Mit Eskorte nach Hause
Begonnen, erzählt Fabian,
habe es im Frühjahr: Immer
wieder wurden Scheiben eingeschlagen. Flogen Flaschen.
Wurden Jugendliche "abgepasst". Am Anfang, erzählt
Fabian, habe die Polizei das
nicht ernst genommen. Mittlerweile würden Jugendliche
manchmal per Dienstwagen
nach Hause eskortiert. "Manche Ecken muss man großräumig meiden."
Das, betont man im Parteijugendlokal, gelte nicht nur
für SJ-Mitglieder: Langhaarige, Ausländer oder Leute, die
sich einmischen, hätten es schon länger nicht leicht rund
um die Floridsdorfer Ghettosiedlungen. "Es redet halt keiner drüber - aber das Problem
mit rechten Skins und Hools
ist da und wird größer."
Das lokale SJ-Lokal, erklärt
auch SJ-Landessekretär Florian Wenninger, sei da nur die
Spitze eines Eisberges: "Kein
Mensch kümmert sich um das,
was im zehnten oder elften
Bezirk immer wieder passiert.
Bei ein paar ,aufgemischten’
Türken macht keiner eine
Presseaussendung." Auch innerhalb der Wiener SPÖ tue
man sich schwer, zu akzeptieren, dass Schläger-Gangs mit
ausländerfeindlichem Vokabular in den Bauten längst
zum Jugend-Alltag gehören.
Keine Übertreibung
Dass die Jungsozialisten
keineswegs übertreiben bestätigt man dafür im für mobile
Jugendarbeit zuständigen Referat des Jugendamtes
(MA 13): "Wir bekommen wöchentlich Meldungen aus ganz Wien. Wir sind uns des
Problems bewusst: Die Szene
wächst", erklärt Manuela
Cohnen von der MA
13. Deshalb plane man auch die Zahl
der Sozialarbeiter, die sich mit
gewaltbereiten (rechts-)extremen Kids auseinandersetzen, zu verdoppeln. Derzeitiger Stand: Drei Sozialarbeiter.
Frau Cohnen seufzt.
Das Wort "rechtsextrem"
hört man in Bezug auf die vergangenen Samstag festgenommenen Skins im
staatspolizeilichen Jugendbandenreferat übrigens nicht
gern: Frust, Perspektivlosigkeit und Alkohol, erklärt Referatsleiter Gerd Zander, würden schlicht Aggressionen
und provokante Sprüche fördern. "Wenn ich denen genug
Alkohol gebe, gestehen die
den Anschlag aufs World Trade Center." Freilich: Zumindest einer der Festgenommenen von Samstag ist wegen
einschlägiger rechtsextremer
"Provokationen" seit langem
amtsbekannt. (Thomas Rottenberg, DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 23.10.2002)