Hamburg - Die Deutsche Bundesregierung wird nach Informationen des deutschen Nachrichtenmagazins "Spiegel" ihre Konjunkturprognosen für 2002 und 2003 abermals senken und rechnet vorerst auch nicht mit einem Abbau der Arbeitslosigkeit. Die Experten des neuen deutschen Wirtschafts- und Arbeitsministers Wolfgang Clement trauten der deutschen Wirtschaft heuer nur noch ein Wachstum von einem halben Prozent, 2003 von 1,5 Prozent zu, berichtet das Magazin in seiner neuesten Ausgabe. Für das laufende und das kommende Jahre werde eine konstante Arbeitslosenzahl von jeweils 4,1 Millionen erwartet. Nach der letzten Regierungsprognose unter der Regie von Finanzminister Hans Eichel war man noch von drei Viertel Prozent Wachstum 2002 und einem Plus von zweieinhalb Prozent 2003 ausgegangen. Die Zuständigkeit für das Thema Konjunktur ist mit dem Start des zweiten Kabinetts Schröder vom Finanzministerium Eichels auf das Wirtschaftsressort Clements übergegangen. Mit der Arbeitsmarktprognose würde Clement auf gleicher Linie wie die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute liegen, die in ihrem unlängst präsentierten Herbstgutachten für das laufende Jahr 4,05 und für das kommende Jahr 4,1 Millionen Arbeitslose im Jahresdurchschnitt vorhersagen. Warnung vor Konfrontationskurs Unterdessen warnt der deutsche Bundesbankpräsident Ernst Welteke die Bundesregierung angesichts der Konjunkturflaute vor einem erneuten Konfrontationskurs zur Europäischen Zentralbank (EZB). Er rügt dem "Spiegel" zufolge vor allem die Berliner Forderung nach niedrigeren EZB-Zinsen. Durch den Ruf nach billigerem Zentralbankgeld "wird es uns erschwert, die Zinsen zu senken", wird Welteke von dem Hamburger Nachrichtenmagazin zitiert. "Die Bevölkerung und die Finanzmärkte würden den Eindruck gewinnen, wir gäben politischem Druck nach." Welteke ist als deutscher Bundesbankpräsident Mitglied des EZB-Rates, der über die Notenbankzinsen für die 12 Länder der Eurozone entscheidet. "Die Regierung sollte aufpassen, dass sie nicht dieselben Fehler macht, wie zu Beginn der letzten Legislaturperiode", sagte Welteke mit Blick auf Konflikte zwischen Eichels Vorgänger Oskar Lafontaine und der EZB. Schlechte Beurteilung Nach einer Umfrage der IKB Deutsche Industriebank und der "Welt am Sonntag" beurteilen die mittelständischen Unternehmer die wirtschaftliche Lage inzwischen so schlecht wie seit zwei Jahren nicht mehr. Gründe seien aber weniger die abgekühlte Weltkonjunktur und die relative Eurostärke, die deutsche Produkte auf dem Weltmarkt teurer macht. Ein Großteil der befragten Unternehmer habe vielmehr hausgemachte Probleme als Wachstumshemmnis ausgemacht. Die rot-grüne Bundesregierung packe die wichtigsten Reformen nicht tatkräftig genug an. Als größtes Problem werde eine immer stärkere Verkrustung des Arbeitsmarktes genannt. Für den deutschen Geschäftsklimaindex des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo-Index) rechnen Volkswirte für Oktober im Schnitt mit einem erneuten Rückgang auf 87,6 Punkte nach 88,2 Punkten im September. Neben höheren Steuern und Abgaben nannten die Experten als weitere Stimmungsdämpfer den Irak-Konflikt und die Schwäche der Aktienmärkte, auch wenn sich die Aktien zuletzt etwas erholten. Aus Enttäuschung über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen denken nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zunehmend Unternehmen über Abwanderung nach. "Die Bereitschaft abzuwandern wächst", zitiert das Nachrichtenmagazin "Focus" den DIHK-Präsidenten Ludwig Georg Braun. "Das ist selbst bei Unternehmen so, die bisher die Devise hochhielten, nur in Deutschland zu fertigen."(APA/dpa/Reuters)