Die alte Sowjetunion ist an der Lüge zugrunde gegangen. An der Lüge über die Triumphe des "real existierenden Sozialismus". Für die Lüge wurden die Menschen zu Millionen in den Gulag geschickt.Was hat sich in Putins Russland geändert? Das nukleare U-Boot "Kursk" durfte nicht untergegangen sein, weil ein fehlerhafter Torpedotyp explodiert war - nein, die längste Zeit galt die Lüge von einem Zusammenstoß mit einem westlichen Spionageboot. Genauso riecht die Katastrophe um den tschetschenischen Geiselterror in Moskau nach einer einzigen Lüge. Der Zugriff war angeblich unvermeidlich. Der Einsatz eines "Betäubungsgases" war angeblich ein Riesenerfolg. Aber mehr als hundert Geiseln sind nicht durch die tschetschenischen Geiselnehmer gestorben, an die 500 in den Krankenhäusern schweben nicht wegen der Tschetschenen in Lebensgefahr, sondern weil sie durch die russischen "Sicherheitsorgane" vergast wurden. Die richtige Therapie für die Verletzten ist fast unmöglich, weil die Ärzte keine Informationen über das Gas erhalten. Angehörige werden im Dunkeln gelassen. Das alles ist das klassische Muster: Geheimhaltung und Lüge, um die eigene Inkompetenz zu verschleiern. Im Russland des KGB-Mannes Putin wie in der alten Sowjetunion. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.9.2002)