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TV-Duell: Alexander Van der Bellen (links), Wolfgang Schüssel (rechts) und Elmar Oberhauser (mitte)

foto: apa/HOPI MEDIA/BERNHARD HOLZNER

Wien – Bundeskanzler und ÖVP-Spitzenkandidat Wolfgang Schüssel und Grünen-Chef Alexander Van der Bellen eröffneten am Dienstag den Reigen der ORF-TV-Konfrontationen zur Nationalratswahl. Es moderierte: Elmar "das war nicht meine Frage" Oberhauser.

Schüssel erklärte, dass Asylwerber, besonders die massenhaft aus dem Kosovo eingereisten Albaner, die keine Chance auf Asyl hätten, rasch zurückgeführt werden müssten. In Österreich käme bereits ein Asylwerber auf 220 Einwohner – und es sei nicht sinnvoll, die eigentlich als Arbeitsmigranten gekommenen Ausländer bis zu fünf Jahre von der Caritas betreuen zu lassen, um sie dann doch wegzuschicken. Der Grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen verwies dagegen darauf, dass die Asylwerber das Recht auf ein rechtsstaatliches Verfahren hätten.

Schüssel warb deutlich um mögliche Wähler aus dem freiheitlichen, aber auch aus dem Grünen Lager. Er sagte, dass das Ausgrenzen "ein für alle mal der Vergangenheit angehören" müsse. Das gelte für die Grünen, aber auch für die FPÖ. Van der Bellen konterte, der Bundeskanzler könne aber nicht so tun, als ob es ihn gar nichts anginge, was sein Koalitionspartner tut.

Der Kanzler betonte, er habe – im Unterschied zu den Grünen – immer für die EU geworben. Noch 1994 hatten die Grünen noch einen Kongress mit Anti-EU-Parolen gemacht. Außerdem versuchte er, die Grünen für Gewaltakte der Donnerstags-Demonstranten mitverantwortlich zu machen.

Schüssel warnte vor rot-grün – während Van der Bellen eine Koalition auch mit der ÖVP nicht völlig ausschließen wollte – er sagte aber, dass mit der derzeitigen ÖVP-Führung eine Koalition "schwer vorstellbar" wäre.

Die Redezeit war nahezu ausgeglichen, wie Oberhauser zu Diskussions-Ende bilanzierte: das Guthaben von 20 Sekunden fiel zu Gunsten Schüssels aus. Letzterer schaffte es jedoch gezielter seine "Themen" unterzubringen: von der "Gewaltbereitschaft" der Grünen bis hin zur Freigabe von Drogen. Van der Bellen hielt fest, dass Rot-Grün bei weitem noch nicht ausgemacht sei und brachte vor allem Kritik an der Asylpolitik der ÖVP an.

"Ring frei"

Die von Oberhauser vorgegebenen Spielregeln: die Themenwahl werde den "Kontrahenten" überlassen. Der Zuschauer solle so sehen, "welche Themen Ihnen beiden wichtig sind". Dann drückte der Moderator auf den verbalen Startknopf – "Ring frei für die erste Runde".

Das Duell im Detail

Und diese begann zunächst zwar inhaltlich kritisch, aber dennoch fair. Van der Bellen betonte einmal mehr, dass eine Koalition mit der derzeitigen ÖVP "sehr schwer möglich" sei. Ein Grund: die Asylpolitik von Innenminister Ernst Strasser (V), "die wir für unerträglich halten". Die ÖVP-Führung habe offenbar ein bestimmtes Wahlkampf-Kalkül, "nämlich FPÖ-Stimmen an sich zu ziehen". "Und da frage ich mich wirklich – brauche ich noch einen FPÖ-Innenminister?"

Extremismus

Auf die von Oberhauser eingeworfene Frage, was die ÖVP zu diesem Rechtspopulismus-Vorwurf der Grünen sage, brachte Schüssel erwartungsgemäß den Rechtsextremismus-Vorwurf der stellvertretenden Grünen-Chefin Eva Glawischnig ins Spiel. Einwurf Van der Bellens: das habe sie zurückgenommen. "Das hat sie zurückgenommen", so Schüssel, Glawischnig habe die Aussage dabei aber eigentlich noch bekräftigt. Der ÖVP-Chef kritisierte dabei das Schwingen der Faschismus-Keule und hantelte sich dabei weiter zum Thema Ausgrenzung. Die ÖVP grenze jedenfalls niemanden aus, betonte er, und er sehe diese Aussage eigentlich als "Einladung zum Gespräch" an die Grünen. Aber: "Sie wollen offenbar überhaupt nicht mit uns reden", so Schüssel, der die Grünen in der Folge einmal mehr ins gewaltbereite Eck drängte (Stichwort: Dank an die Donnerstags-Demonstranten).

Wenn man den Grünen etwas vorwerfen könne, dann, zu friedfertig zu sein, konterte Van der Bellen. Alles andere sei "völlig absurd". "Aber ich habe das ja nicht erfunden", vier Mal hätten die Donnerstags-Demonstranten die Fenster in der ÖVP-Zentrale eingeworfen, fiel ihm Schüssel ins Wort. Da könnten die Grünen doch nichts dafür, so Van der Bellen. Schüssel weiter: "Da gibt es eine Grauzone, die nicht in Ordnung ist." Darauf der Grünen-Chef schon etwas vergrämt: "Ich brauche mich von Ihnen in dieser Beziehung überhaupt nicht schulmeistern lassen."

Asyl

Die Asylpolitik Strassers wurde von Schüssel verteidigt – man sei im Sommer in den Wochen 37, 38 und 39 plötzlich mit doppelt so vielen Asylwerbern konfrontiert gewesen und habe etwas unternehmen müssen. Er finde es "völlig richtig", dass der Innenminister da die Notbremse gezogen habe.

EU

Nach zwei Drittel der Gesprächszeit waren Schüssel und Van der Bellen schließlich beim Thema EU-Erweiterung angelangt: hier bekannten sich beiden Parteichefs zu diesem Projekt, wobei Van der Bellen unterstrich, dass der Kampf gegen das tschechische Akw Temelin weiter gehe. Hebel sei dann die Richtlinie des Binnenmarktes bzw. Energiemarktes.

Rot-Grün, Drogen, Heer und Bildung

Und dann gab Schüssel Gas: er wolle schon noch über Rot-Grün sprechen und was dann zu erwarten sei – von der Belastung für Pkws in Höhe von 3 bis 6 Cent pro Kilometer (Einwurf Van der Bellens: "Nicht schon wieder") über die Einführung der Gesamtschule und die Legalisierung von Haschisch bis zur Abschaffung der Wehrpflicht. "Das war praktisch die ganze Palette herunter", zeigte sich Van der Bellen amüsiert, und bekannte sich in der Folge zu einem professionalisierten kleineren Heer, einem Schulwesen, das nicht im Alter von zehn Jahren schon eine Weichenstellung vornehme, zur Abschaffung der Studiengebühren und der Entkriminalisierung von Cannabis-Produkten. Letzteres Thema verleitete Schüssel zu zahlreichen Einwürfen – vom Vorwurf, die Grünen seien nicht für eine lebenslange Haftandrohung für Drogendealer eingetreten, bis zur Vorhaltung, sie hätten sich nicht für Drogentests für Autofahrer ausgesprochen. Relativ im Hintergrund blieb da Van der Bellens Versuch einer Gegenattacke, die ÖVP habe über Jahre an den 0,8 Promille in Sachen Alkohol festgehalten, der schließlich auch eine Droge – wenn auch eine legale – sei. Schüssels Kommentar: "Sie lenken ab."

SPÖ kritisiert "Oberlehrer" Schüssel

Aus den Ausführungen von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) im TV-Duell sei klar hervorgegangen, dass die Fortsetzung von Schwarz-Blau "längst paktiert" sei, sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures Dienstag Nacht in einer Aussendung. Schüssel rede nur "oberlehrerhaft und besserwisserisch" von der schwarz-blauen Vergangenheit – den Blick für die Zukunft und für Reformen, die Österreich dringend brauche, habe der Kanzler längst verloren. Schüssel habe "jegliches Kanzlerformat" vermissen lassen "und nur den platten Parteiagitator gemimt".

Aber auch Grünen-Chef Alexander Van der Bellen kriegte von Bures ein wenig Fett ab: Es sei ein "Armutszeugnis" für beide Spitzenkandidaten, dass sie weder Konzepte gegen die ungebremst steigende Arbeitslosigkeit noch für eine längerfristige Sicherung des Gesundheitssystems präsentiert hätten. Mehr Kritik an den Grünen gab es allerdings von der SPÖ Dienstag Nacht nicht.

Kritik der Grünen

Die Grünen werfen Bundeskanzler ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel vor, in der Asylfrage die FPÖ rechts zu überholen. Asylwerber während eines laufenden Verfahrens in die Obdachlosigkeit zu schicken, würde auch einem "FPÖ-Innenminister zur Ehre gereichen, dafür braucht es keine ÖVP", so die stellvertretende Bundessprecherin Eva Glawischnig in einer Aussendung am Mittwoch.

Auch im Stil nähere sich die ÖVP der FPÖ immer mehr an. In der Fernsehdiskussion Dienstagabend habe sich Schüssel der "sattsam bekannten FPÖ-Methode" bedient: "Nämlich eine Behauptung in den Raum stellen, in der Hoffnung, dass schon irgendetwas hängen bleiben werde", übte Glawischnig Kritik.

Schweitzer

"Endgültig demaskiert" sieht der Klubobmann der FPÖ, Karl Schweitzer, den Grünen Bundessprecher Alexander Van der Bellen nach der gestrigen Fernseh-Diskussion. "Wer eine Freigabe von Drogen verlangt, vergeht sich an unseren Kindern", betonte Schweitzer in einer Aussendung am Mittwoch. Ebenso sei nun klar, dass eine grüne Asyl- und Fremdenpolitik schrankenlose Zuwanderung bringen würde. Eine grüne Regierungsbeteiligung wäre eine Zumutung für Österreich, die Schweitzer "unter allen Umständen" verhindern will.

(cs/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.10.2002/APA/rasch/red)