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Scott Ritter: Bush will den Krieg

Foto: APA/epa/Lindsey Parnaby
Wien - Vom Waffeninspektor im Irak mit ausgeprägtem Cowboy-Image, der mit den irakischen Behörden wilde Sträuße ausgefochten hat, zum Antikriegsaktivisten, zu dessen Pressekonferenz die halbe irakische Botschaft anrückt: Scott Ritter, auf Einladung der Gesellschaft für österreichisch-arabische Beziehungen in Wien, vertritt in Bezug auf den Irak eine streng legalistische Position, nämlich die, dass es das alleinige Ziel der internationalen Gemeinschaft sein sollte, den Irak abzurüsten - und dass die Pläne der Regierung George Bush den Irak betreffend mit diesem völkerrechtlich gültigen Ziel gar nichts zu tun hätten, dafür aber sehr viel mit Großmachtpolitik. Die USA hätten gar kein Interesse an funktionierenden Waffeninspektionen im Irak - und nie gehabt, sagt Ritter später im STANDARD-Interview und verweist darauf, dass der damalige Außenminister James Baker schon 1991 die US-Politik formulierte, dass die Sanktionen gegen den Irak nur aufgehoben würden, wenn Saddam Hussein gestürzt sei. Dass der Irak seine Waffen betreffend auch gelogen und betrogen habe, wo es nur ging, sei gleichermaßen wahr - aber beide Seiten hätten sich eben nicht an die UNO-Regeln gehalten: Der Abrüstungsprozess war von Anfang an faul. Proirakisch - wie ihm seine Gegner vorwerfen - ist die Position Ritters aber deshalb noch kaum zu nennen, die Herren von der Botschaft bekommen in der Pressekonferenz einige saftige Worte über ihr Regime ("brutale Diktatur") zu hören. Auch Ritters Antikriegsargument klingt anders, als man vielleicht erwartet: Sorry, aber die Iraker sind es nicht wert, dass für ihre Befreiung von Saddam Hussein amerikanische Soldaten sterben - ihr Regime wegzubekommen ist Angelegenheit der Iraker selbst. Dabei ist sich Scott Ritter absolut sicher, dass der Krieg kommt, auch wenn die Waffeninspektoren nach der Verabschiedung einer Resolution im UNO-Sicherheitsrat in den Irak zurückkehren sollten. Jede noch so minimale Schwierigkeit oder Verzögerung bei einer Inspektion würde für Washington als Grund für die Ausrufung des Kriegsfalls benutzt werden. Außerdem sei Chefinspektor Hans Blix "für amerikanischen Druck empfänglich", wie man an seiner Positionsänderung seit den Verhandlungen mit dem Irak Anfang Oktober ablesen könne. Anders als die Sicherheitsratsmitglieder Frankreich, Russland und China, die sich um eine Irak-Resolution bemühen, damit der Krieg verhindert werden kann, sieht Ritter im Nichtzustandekommen der Resolution die einzige Chance, den Krieg noch abzuwenden. Ohne "Deckmantel der internationalen Legalität", die die UNO den USA verschaffen würde, sei es für die Bush-Regierung viel schwerer, in den Krieg zu ziehen. Bush sei auch nur aus innenpolitischen Gründen in den UNO-Sicherheitsrat gegangen. Aber mit der Kriegsermächtigung des Kongresses für Bush sei in den USA die Demokratie abgeschafft, was eine Entscheidung über Krieg oder Nichtkrieg anbelangt, so Ritter pointiert. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 31.10./1.11.2002)