Die Meinungsforscher und wahlkämpfenden Parteien sind sich einig: Die Wahl wird in erster Linie in Wien entschieden.DER STANDARD und Radio Wien luden daher zu Wochenbeginn zum "Montagsgespräch" mit den Wiener Spitzenkandidaten Wolfgang Petritsch (SPÖ), Alfred Finz (ÖVP), Herbert Scheibner (FPÖ) und Eva Glawischnig (Grüne). Die für Wahlzeiten bemerkenswert harmonische Diskussion, die Paul Tesarek vom ORF-Landesstudio Wien im voll besetzten Haus der Musik leitete, kreiste vor allem um die strittigen Fragen der EU-Erweiterung, der Abfangjägerbeschaffung und der Verkehrspolitik. Breiten Raum nahm auch die Wirtschafts- und Budgetsituation ein. SPÖ-Spitzenkandidat Petritsch warf den Regierungsparteien in diesem Zusammenhang eine "nachgerade Ideologisierung des Themas Nulldefizit vor". Der Wiener ÖVP-Spitzenkandidat Finz wollte den Vorwurf freilich nicht im Raum stehen lassen. Das Nulldefizit sei keine Ideologie, sondern eine europäische Verpflichtung im Rahmen eines übernationalen Stabilitätspaktes. Finz hielt der SPÖ vor, der schwarzblauen Regierungskoalition einen Schuldenberg hinterlassen zu haben: "Die Situation, die wir übernommen haben, war so, dass wir am letzten Platz mit den Defiziten waren. Inzwischen sind wir das nicht mehr." Petritsch erinnerte daran, dass die ÖVP lang genug mit der SPÖ koaliert habe: "Tun Sie doch nicht so, als ob Sie nicht dabei gewesen wären." Mit Schuldzuweisungen käme man jetzt nicht mehr weiter, gefragt sei Problemlösungskompetenz. FPÖ-Spitzenkandidat Scheibner wies darauf hin, dass die Entscheidung für ein Nulldefizit richtig und notwendig gewesen sei. Kritik an den Aussagen von Finz und Scheibner kam auch von der Grünen-Spitzenkandidatin Eva Glawischnig. Das Nulldefizit sei ein reines PR-Ziel und den Menschen nur schwer erklärbar gewesen. In Zeiten eines Konjunkturabschwunges daran festzuhalten sei ökonomisch falsch. Unterschiedliche Rezepte präsentierten die Kandidaten auch zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Petritsch und Glawischnig plädierten für ein Konjunkturbelebungspaket, das allerdings schon vor einem Jahr notwendig gewesen wäre. Finz und Scheibner verteidigten den strengen Sparkurs: Notwendige Steuerungsmaßnahmen seien durch das Hochwasser und die Konjunkturabschwächung erschwert worden. (Peter Mayr/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.11.2002)