Besser könnte es nicht laufen. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ist on top. Die beiden TV-Debatten mit Grünen- Chef Alexander Van der Bellen und FPÖ-Obmann Herbert Haupt zeigten einen medial makellosen Kanzler. Angriffslustig, aber die Grenze des politischen Anstandes wahrend, staatsmännisch, wenn er von Österreich sprach, amikal, wenn es um die Versorgung eines angeschlagenen Gegners ging. Wie im Gespräch mit Herbert Haupt, den er als "warmherzigen Minister" tröstete. Schüssel gab vor, die Mitdiskutanten gaben nach. Er bediente die Medienklaviatur, die anderen lieferten mit dem Triangel die Zwischentöne.

Schüssels rhetorische und darstellerische Brillanz weckt freilich auch einiges Unbehagen. Der Kanzler ist einfach zu perfekt, zu glatt, ohne wirklich erkennbare Kommunikationsfehler. Das macht ihn unnahbar und unheimlich. Unheimlich auch deshalb, weil er es mit seiner Rhetorik schafft, zu vermitteln, er habe mit all dem Unbill der letzten Regierungsjahre nichts, aber schon gar nichts zu tun. Er macht glauben, er versuche selbstlos, ja fast madonnenhaft unschuldig, Politik für das Allgemeinwohl zu machen, aber irgendwelche Unholde durchkreuzten ständig seine hehren Ziele. Dass er nicht Getriebener, sondern Hauptakteur ist, schweigt Schüssel wortreich weg.

Schüssels allzu perfekte "Champion"-Inszenierung ist für die ÖVP freilich nicht ohne Risiko. Sie erzeugte Erwartungen bei den Funktionären, die kaum noch zu bändigen sind. Alles ist auf Sieg getrimmt. Die Institute liefern zudem sensationelle Umfragen, die die ÖVP bereits bei rund 40 Prozent wähnen. Der Gipfel scheint nahe. Was aber, wenn ... nicht? Daran will niemand in der ÖVP auch nur denken. Obzwar alle wissen, dass vieles plötzlich relativ sein kann. Ein kleiner Kratzer am perfekt gezimmerten Winner-Image, und alles könnte ein wenig anders kommen. The higher they climb, the harder they fall. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.11.2002)