400 Essen zu Mittag an einem Wochentag, so viel schafft nicht einmal Fabio Giacobello in seinem überbuchten "Fabios". Für die Kantine eines internationalen Steuerberatungs- und Management-Konzerns wie PricewaterhouseCoopers in ihrem neuen Gebäude in Wien / Erdberg wiederum ist das wahrscheinlich nicht so ungewöhnlich - außer, das Essen nimmt nicht seinen betriebsküchenüblichen Weg von der Großpackung über die Mikrowelle auf den Teller, sondern wird frisch zubereitet. Und zwar von einem Mann, der bis vor kurzem noch in Toni Mörwalds Restaurant "Ambassador" den Souschef gab.
Es ist ein einigermaßen ehrgeiziges Projekt, das sich der niederösterreichische Gastronomie-Zampano Toni Mörwald (vier Restaurants, vier Betriebsküchen, zwei Hotels, Catering, Jahresumsatz zwölf Millionen Euro) da angetan hat - Kantine mit einem Ausstoß von bis zu 650 Essen pro Tag in einer Qualität, die seinem Ruf nicht abträglich sein darf -, zugleich aber faszinierend visionär. Abgesehen davon, dass das Feedback im Fall der Kantine zumeist sehr viel unmittelbarer ausfällt als im Restaurant-Betrieb: Bei Nicht-Gefallen gibt's nicht Punkte- oder Haubenverlust irgendwann einmal ein dreiviertel Jahr später, sondern die spontane Revolte.
Die im seit Anfang Oktober laufenden "m.office.genuss" dem Vernehmen nach aber noch nicht stattgefunden hat, im Gegenteil, erzählt Restaurantleiter Manfred Wolfsberger, die Reaktionen auf die Mörwald-Kantine seien eher euphorisch. Was nicht wirklich verwundert, wenn man sich zum Beispiel einmal den kleinen Antipasti-Teller vergegenwärtigt, der mit Sardine, getrockneter Öl-Tomate, Zucchini, Melanzane, Kapernbeeren und Konsorten zwar besser aussieht als in der Szenegastronomie üblich, mindestens so gut schmeckt, dafür aber nur einen Bruchteil kostet (EURO 1,70-2.20). Der Rindfleischsalat ist ebenfalls hervorragend, die namengebende Zutat zergeht auf der Zunge (EURO 3,20). Pasta ist ebenfalls ein Fixpunkt im Programm, Risotto müsse dem Kundenwunsch entsprechend überhaupt mindestens einmal pro Woche sein, erklärt Küchenchef Manfred Bucek. Und wenn man jetzt glaubt, dass die Nudel in der Kantine wohl nur schwer ungatschig hinzukriegen und der Risotto überhaupt ein Ding der Unmöglichkeit sei, dann vermögen einen die Mörwald-Kantineure doch einigermaßen zu verblüffen: Der Risotto mit Pilzen und Reibkäse hatte zwar eine Spur zu viel Creme, war sonst aber echt tadellos (EURO 4), die fleckerlartigen Nudeln kamen nicht nur schön bissfest, sondern auch mit einem Klacks feinster Thunfisch-Kalbfleisch-Sauce, einem Löffelchen hervorragender Sauce Bolognese und noch einer kleinen Portion Gemüseragout auf den Teller (EURO 2,50-3,50).
Den Convenience-Anteil versucht Manfred Bucek übrigens unter sechs Prozent zu halten, was im heimischen Betriebsküchen-Wesen eine leuchtende Ausnahme darstellen dürfte, darüber hinaus werden vornehmlich pflanzliche Fette eingesetzt, und geraucht werden darf im "m.office.genuss" klarerweise auch nicht. Das Szegediner Krautfleisch litt vielleicht ein wenig unter der Magerkeits-Vorgabe, war aber dennoch äußerst köstlich (EURO 4), das gekochte Rindfleisch, eine so genannte "Fledermaus", mit Burgundersaft und einem angebratenen Serviettenknödel mit reichlich Muskat hatte überhaupt absolutes Top-Niveau (EURO 8,70).
In den kommenden Tagen wird das "m.office.genuss" dann übrigens an die Öffentlichkeit gehen, soll heißen, dass man die PricewaterhouseCoopers-Kantine über einen separaten Eingang auch als betriebsfremde Person benützen kann. Könnte sein, dass sich dann in Zukunft ein paar Kantinenköche ganz schön was anhören werden können. (DerStandard/rondo/Florian Holzer/8/11/02)