Alfred Gusenbauer und Alexander van der Bellen erkundeten im TV-Duell Gemeinsamkeiten - Mit Umfrage
Redaktion
,
Wien - Zu einer Art Probelauf für eine rot-grüne Koalition
nach den Wahlen am 24. November gestaltete sich das vierte TV-Duell
zwischen SPÖ-Vorsitzendem Alfred Gusenbauer und dem Grünen
Bundessprecher Alexander Van der Bellen. Inhaltlich stimmten die
beiden Kontrahenten in der sehr ruhig verlaufenen Diskussion in fast
allen wichtigen Punkten überein, etwa in der Abschaffung von
Ambulanz- und Studiengebühren, der Ablehnung des Ankaufs neuer
Abfangjäger oder der steuerlichen Entlastung von niedrigen Einkommen.
In der Koalitionsfrage selbst wollte sich Gusenbauer allerdings die
Option einer möglichen Regierung mit der ÖVP weiter offen halten,
wobei er "Parallelverhandlungen" mit Volkspartei und Grünen
ausschloss.
"Wohl keine andere Möglichkeit"
Die Ankündigung im
derStandard.at-Chat
, als Zweiter in Opposition zu gehen, wollte der SP-Chef nicht wiederholen, er ging aber davon aus, dass es dann "wohl keine andere Möglichkeit geben" werde. Die stärkste Partei solle den Bundeskanzler stellen.
Van der Bellen zeigte sich darüber nicht glücklich und meinte,
vorrangiges Ziel müsse das Brechen der schwarz-blauen Mehrheit sein.
"Nur aus Kränkung" oder einem "Verlustgefühl", dass man nur Zweiter
geworden sei, könne man doch nicht auf "Politikgestaltung
verzichten", wenn sich dabei rechnerisch trotzdem rot-grün ausginge.
Dass dies ein "Betteln um eine Heirat" mit der SPÖ sei, wies Van der
Bellen zurück. Der Grünen-Chef gab auch zu bedenken, dass derzeit die
SPÖ ja stimmenstärkste Partei sei, und trotzdem in Opposition.
Chancen für rot-grün 50:50
Die Chancen für eine rot-grüne Koalition nach den Wahlen
bezifferte SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer mit 50:50. "Ich habe immer
betont, mir geht es um die Erneuerung des Landes. Unser Ziel ist,
stärkste Partei zu werden". Bei der Koalitionsfrage handle es sich
nicht um eine Angelegheit der Liebe, sondern der Vernunft in der
politik. Wichtig sei heute, den "massiven Sozialabbau" der letzten
zweieinhalb Jahre schwarz-blau rückgängig zu machen. "Die FPÖ hat
ihre Chance gehabt, die hat die Regierung ins Chaos geführt und die
hat sich selbst aus dem Rennen genommen".
Van der Bellen sieht schwarz für Rot-Schwarz
Der Grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen zeigte sich
angesichts der von Gusenbauer angesprochenen 50:50-Chance skeptisch
dahin gehend, dass dies auch ein Zeichen Richtung Rot-Schwarz sein
könnte. Für die SPÖ sei es ja inhaltlich sehr unwahrscheinlich, mit
der ÖVP auf einen Konsens kommen zu können, deswegen würde er für
eine solche Koalition von Volkspartei und Sozialdemokraten "schwarz
sehen". Gusenbauer replizierte, die Frage, was ÖVP oder Grüne nach
den Wahlen machten, müsse jede Partei für sich selber beantworten.
SPÖ gegen Cannabis-Legalisierung
Inhaltlich war die Debatte von überwiegender Übereinstimmung
zwischen Gusenbauer und Van der Bellen geprägt. Einen Unterschied gab
es in der Haschisch-Frage. Während Van der Bellen sich angesichts
einer am Freitag stattfindenden Veranstaltung von Wiener Grünen zum
Thema "Verkostung von Hanfprodukten" überrascht zeigte und meinte, es
sei bekannt, dass Cannabis zum Teil tatsächlich für therapeutische
Zwecke, als schmerzstillendes Mittel bei Krebskrankheiten verwendet
werde, lehnte Gusenbauer eine weitere Legalisierung von Drogen ab.
"Ich will niemanden in Österreich zum Drogenkonsum motivieren". Van
der Bellen empörte sich und meinte, "das uns zu unterstellen, wäre
unerhört". Insgesamt sieht der Grünen-Chef in der Frage kein
geeignetes Wahlkampfthema. Er würde sich aber freuen, wenn man sich
nach dem Wahltag mit Medizinern, der Polizei und einschlägigen
Experten in aller Ruhe darüber zusammen setzen könnte.
Proporz
Für den Fall einer rot-grünen Regierung war Van der Bellen vor
allem die Problematik der Proporzbesetzungen ein Anliegen. Der
Grünen-Chef meinte unter Hinweis auf die "alte SPÖ", dass es zwar
genügend Lippenbekenntnisse zum Abbau des Proporzes gebe, die
Wirklichkeit sehe aber anders aus. Gusenbauer verwies darauf, dass er
erst zwei Jahre SPÖ-Chef sei und "überall dort, wo ich die
Möglichkeit hatte, etwas mitzureden, gibt es den Proporz nicht.".
Außerdem hätte die nächste Regierung die "große Chance", hier etwas
zu ändern. "Alle erwarten jetzt, nach den brutalen
Personalbesetzungen von schwarz-blau eine Retourkutsche. Mein Ziel
ist, dass wir aus dieser Logik ausbrechen".
"Koalition für die Frauen"
Van der Bellen betonte, dass die Grünen als einzige Partei eine fünfzigprozentige Frauenquote einhielten und kritisierte bei der SPÖ mangelnde Anstrengungen in dieser Hinsicht.
Gusenbauer versprach, dass der
Frauenanteil im SPÖ-Klub "bedeutend erhöht" werde. Auf der SPÖ-Liste
gebe es jetzt bereits 50 Prozent Frauen, und im Klub werden es
mindestens 40 Prozent sein.
Beim Thema Anti-AKW-Politik kritisierte Van der Bellen
unterschiedliche Aussagen innerhalb der SPÖ über die Erhöhung der
Euratom-Finanzmittel um zwei Milliarden Euro, womit auch der Neubau
von Reaktoren in osteuropäischen Ländern gefördert werden könne. So
habe Umweltsprecherin Uli Sima ablehnend reagiert, der
SPÖ-Delegationsleiter im Europaparlament, Hannes Swoboda, dagegen
Zustimmung geäußert. Gusenbauer antwortete, dass er "völlig die
Auffassung von Sima teilt". Es sei wichtig, nicht nachzugeben, wenn
Euratom-Mittel für falsche Zwecke verwendet würden.
Was die Arbeitslosigkeit betrifft, verwies Gusenbauer auf die
drohende Zahl von 320.000 Beschäftigungslosen im Winter. "Was mich
krank macht, ist, dass man da sitzt, abwartet, zuschaut, ob die
Konjunktur anspringt oder nicht und täglich steigt die Zahl der
Arbeitslosen. Ich will nicht nur Zuschauen, sondern die Spielräume,
die wir haben zur Ankurbelung der Wirtschaft, auch in Angriff
nehmen". So müssten kleine Einkommen entlastet, der
Investitionsfreibetrag zeitlich befristet wieder eingeführt werden
und insgesamt aktiv vorgegangen wird.
Van der Bellen kritisierte den SP-Vorschlag eine befristeten Investitionsförderung, weil dies erst einmal finanziert werden müsse. Eine flächendeckende Steuersenkung lehnte er ab und fordete statt dessen eine Entlastung der niedrigen Einkommen.
Es stelle die Frage, wie weit die SP-Vorschläge finanzierbar sei, ohne die Maastricht-Kriterien (drei Prozent Defizit
nicht überschreiten) zu gefährden. Er sei zwar kein Freund des
Stabilitätspaktes, aber "solange Regeln existieren, muss man sie
einhalten". Gusenbauer versprach, "es werden unter einer
SPÖ-Regierungsbeteiligung mit Sicherheit die Kriterien des
Stabilitätspakts eingehalten".
Sparen bei der Verwaltung
Zum Thema Sparen waren sich beide Parteichefs ebenfalls einig,
dass man im Verwaltungsbereich noch viel machen könne. Van der Bellen
sprach Doppelgleisigkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden an. Es
sollte auch zu einer Übertragung von Steuerhoheiten an die Länder
kommen, "damit sich die Landeshauptleute daran gewöhnen, nicht nur
Geld auszugeben, sondern auch für die Einnahmen verantwortlich zu
sein". Gusenbauer bekräftigte seinen Vorschlag, die Staatsaufgaben in
einem Konvent zu diskutieren. Keinesfalls dürfe dies aber einem
Versuch gleichkommen, Beamte los zu werden, assisierte Van der
Bellen. Gusenbauer: "Das ist ganz wichtig. Bisher war es so, dass
Verwaltungsreform immer mit Beamtenhatz verwechselt wurde" (APA/bed)
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