Über die Lautsprecher in den 150 Autobussen und 70 Straßenbahnen wurden die Fahrgäste der Grazer Verkehrsbetriebe (GVB) bereits in der vergangenen Woche gewarnt: Am Montagvormittag komme es aufgrund einer Protestversammlung der Bediensteten der GVB zu "massiven Einschränkungen" des öffentlichen Verkehrs.Wer sich "italienische Verhältnisse" erwartete, wurde enttäuscht. Das befürchtetes Verkehrschaos blieb aus. Die Straßenbahnen und Busse standen zwar - aber erst ab halb neun, als die Grazer Schüler bereits im Unterricht saßen. Für den Schienenersatzverkehr engagierte die GVB-Geschäftsführung private Busunternehmen. GVB-Chef Anthony Scholz betonte gegenüber dem STANDARD: "Das ist kein Streik, sondern eine Betriebsversammlung. Das ist rechtlich ein Unterschied, auch wenn's für den Fahrgast dieselben Auswirkungen hat." Schließlich endete der Streik, der keiner war, zwei Stunden früher als gedacht: Um 12 Uhr rollten die Öffis wieder aus den Remisen. Überlebenstraining Grund für die Betriebsversammlung war der bevorstehende Verkauf des Energiebereichs der Grazer Stadtwerke AG durch die Stadt Graz. Die GVB, die ebenfalls der Stadtwerke AG gehören, befürchten, ohne diesen Bereich nicht weiterexistieren zu können. GVB-Betriebsrat Horst Schachner zum STANDARD: "Wir versuchen zu überleben! Wenn der Energiebereich weg kommt, werden wir nicht nur Qualitätseinbußen erleben, wir werden auch bestehende Dienstleistungen nicht mehr aufrechterhalten können." Für die Sicherung der rund 740 Arbeitsplätze fordert Schachner "sinnvolle Gegengeschäfte": Die Stadt müsse neue Geschäftsfelder, wie das Wassergeschäft, an die Stadtwerke abtreten. Doch gleichzeitig ist Schachner skeptisch, dass die Stadt diese gut gehenden Betriebe überhaupt hat: "Wenn das so wäre, hätten sie die doch schon an jemanden anderen verkauft." Der Vorstandsdirektor der Stadtwerke, Wolfgang Messner, spricht von einem "Bouquet an Vorstellungen". Man sei mit Vertretern der Stadt über mehrere Geschäftsfelder, wie Abfall- und Abwasserwirtschaft sowie Immobilienverwaltung und Parkraumbewirtschaftung, im Gespräch. Noch im Dezember soll eine Entscheidung fallen, doch, kritisiert Messner: "Bis zu den Grazer Wahlen im Jänner sagt niemand etwas Konkretes, es werden nur taktische Überlegungen angestellt." Die GVB-Bediensteten haben jedenfalls am Montag ihren Willen zum Streik bewiesen: Bei einer Geheimwahl bei der gestrigen Betriebsversammlung, stimmten 522 von 525 Stimmberechtigten für einen möglichen Streik. Betriebsrat Schachner gibt sich angriffslustig: "Wir sind bereit, alle Kampfmaßnahmen zu ergreifen, wenn es nötig ist. Von der Aktion Vorschrift, also nur mehr Dienst nach Vorschrift zu leisten, über Demonstrationen bis hin zum Generalstreik als letztes Mittel. Bürger solidarisch Dass die Grazer Bevölkerung für einen Streik Ver- ständnis haben werde, glaubt Schachner mittlerweile auch. Das hätten Anrufe am Montag gezeigt: "Ihr habt's schon Recht, lasst's Euch das net gefallen!", hätten viele gesagt. Aber auch Fahrgäste, die Beschwerden deponierten, habe Schachner persönlich von der Sache überzeugen können. Unterstützung erhielten die GVB auch von der Grazer KP und den Grünen, die in der Vorwoche einen dringlichen Antrag zur Lage der GVB im Gemeinderat einbrachten. (Colette M. Schmidt/DER STANDARD, Ptrintausgabe 12.11.2002)