Wien - Der Wiener Nationalrats-Spitzenkandidat der SPÖ und Balkan-Experte Botschafter Wolfgang Petritsch hat am Freitag sein erstmals 1999 erschienenes, nun völlig überarbeitetes Buch "Kosovo/Kosova - Mythen, Taten, Fakten" präsentiert. Interessant ist vor allem die Tatsache, dass der Band zunächst in serbischer und albanischer Sprache in Belgrad und Pristina erscheint. Ende dieses Jahres soll eine englische und erst im kommenden Jahr (im Wieser-Verlag) eine deutschsprachige Version vorliegen. (Wolfgang Petritsch, Robert Pichler: Der lange Weg in den Krieg. Kosovo und die internationale Gemeinschaft, 1989-1999.) Petritsch äußerte anlässlich der Präsentation die Hoffnung, dass mit diesem Werk der Dialog zwischen Belgrad und Pristina wieder hergestellt werde. Zwar zeige schon die Tatsache, dass das Buch zunächst in diesen beiden Städten erscheint, dass es Gespräche zwischen Kosovo-Albanern und Serben gebe, aber sein "großer Wunsch" wäre es, einen weiteren Beitrag zur Stärkung des Dialogs beizusteuern. Das Buch sei eine "Kombination aus objektiver Analyse und Darstellung von Fakten, sowie ein persönliches Dokument von mir, wo ich versuche, Gefühle und Emotionen zu Papier zu bringen", sagte Petritsch, der von 1997 bis 1999 österreichischer Botschafter in Belgien und im Juni 1999 Kosovo-Sonderbeauftragter der EU war. Später wurde er internationaler Bosnien-Beauftragter. "Mythenbildung" Vor allem habe er der "Mythenbildung entgegensteuern" wollen, die rund um die Verhandlungen zwischen Albanern und Serben in Rambouillet und Paris entstanden seien. Die Darstellung der kontroversiellen Geschichte Kosovos findet im neuen Band nur mehr wenig Platz. Das Hauptinteresse gilt dem Zeitraum von der Aufhebung der Kosovo-Autonomie durch den damaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic bis zur NATO-Intervention im Frühjahr 1999. Der albanische Verleger und Teilnehmer der Verhandlungen in Rambouillet, Veton Surroi, bezeichnete das Buch als "Insiderstory der Geschichte des vergangenen Jahrzehnts". Petritsch, der als damaliger Kosovo-Beauftragter der EU tiefste Einblicke in die Verhandlungen hatte, schildere darin "dramatische Momente über die Entscheidung zwischen Krieg und Frieden". "Das Buch soll Tabus brechen, die in Serbien noch immer herrschen", sagte Veran Matic, Direktor des Belgrader Senders "B 92" und Leiter der Belgrader Vereinigung Unabhängiger Elektronischer Medien (ANEM). Er kritisierte zugleich die Rolle der internationalen Gemeinschaft vor Ausbruch des Krieges im Kosovo (1999) auf das Schärfste. Diese habe "die Alternative in Serbien völlig ignoriert". "Das Szenario hätte völlig anders sein können, hätte die internationale Gemeinschaft während der Demonstrationen in Serbien 1996/97 gegen das Milosevic-Regime die unabhängigen Medien und die Opposition unterstützt", betonte Matic. (APA)