Bild nicht mehr verfügbar.

Haider: "In dem Ausmaß, wie ich mich zurückgezogen habe, ist es der ÖVP gelungen, unsere Leute im Regierungsbereich tödlich zu umarmen, sie zu Verbündeten ihrer Politik zu machen und damit zu Gegnern der freiheitlichen Politik."

foto: reuters/foeger
Jörg Haider empfiehlt der FPÖ die Opposition. Sein Fehler sei es gewesen, den Parteivorsitz abzugeben. Von Grasser ist er schwer enttäuscht. Über sein eigenes Image macht sich Haider im Gespräch mit Michael Völker keine Illusionen: "Ich bin der Böse."
***
STANDARD: Susanne Riess-Passer hat gemeint, Sie seien einsam. Sind Sie einsam? Haider: Nein. Sie soll nicht von sich auf andere schließen. STANDARD: Hat Finanzminister Karl-Heinz Grasser in der FPÖ noch eine Zukunft? Haider: Ich stelle nur fest, dass es eine große Empörung über seinen Schritt gibt. STANDARD: Können Sie seinem Schritt auch etwas Positives abgewinnen? Haider: Es bewirkt eine Mobilisierung bei den potenziellen freiheitlichen Wählern. Die sagen, das geht zu weit, hier ist die Grenze überschritten. STANDARD: Sind Sie enttäuscht? Haider: Ich bin natürlich enttäuscht. Wir hatten schon einmal eine solche Situation. Er hat 1998 auch über Nacht die FPÖ verlassen, ist davongelaufen, und Stronach hat ihn eingekauft. Er hat mir ein paar Monate später geschrieben und sich entschuldigt. Daraufhin haben wir wieder Kontakt gehabt. Als es zur Regierungsbildung gekommen ist, habe ich ihn an die Situation erinnert. Er hat mir versprochen, "wenn so etwas wieder auftritt, dann ziehe ich mich zurück, weil ich will das nicht mehr haben, dass irgendwelche öffentlichen Diskussionen ausbrechen". Das Gegenteil ist aber der Fall. STANDARD: Hat Grasser Sie vorher informiert? Haider: Nein. Aber es haben ja die Spatzen von den Dächern gepfiffen, dass das geplant ist. Es hat mich nicht überrascht, dass Schüssel das noch einmal versucht hat. Das war doch langfristig angelegt. Daher ist jetzt auch für viele Wähler klar, dass der Plan die Spaltung der FPÖ war. Man liebt den Verrat, aber nicht den Verräter, daher wird diese Rechnung nicht aufgehen. STANDARD: Was für eine Funktion soll Riess-Passer in der FPÖ in Zukunft innehaben? Haider: Wenn diese Periode aus ist, wird sie einfaches Parteimitglied sein - so wie ich. STANDARD: Mit Ihren Statthaltern in der Partei scheinen Sie kein großes Glück zu haben. Haider: Das kann man nicht sagen. Ich habe durchaus viele gute Leute hervorgebracht, die das Rückgrat gehabt haben, für die FPÖ auch bei Gegenwind Politik zu machen, und sich nicht dadurch profiliert haben, dass sie sich gegen den Jörg Haider gestellt haben. Wenn ein Freiheitlicher gegen den Haider ist, dann hat er den ungeteilten Applaus von links und von rechts. Dann gilt er geradezu als Säulenheiliger dieser Republik. Wer das tut, wird halt damit leben müssen, dass er einen Teil dessen zerstört, was ihm selbst gedient hat. Herr Grasser wäre das alles nie geworden, wenn die FPÖ nicht erfolgreich gewesen wäre und der böse Haider diese Erfolge errungen hätte. STANDARD: Aus jetziger Sicht hat sich die FPÖ halbiert. Ist das ihr eigenes Verschulden? Haider: Es gibt zwei Seiten. Den Fehler meinerseits, dass ich den Parteivorsitz abgegeben habe. Ich hätte das nicht tun sollen. Ich wollte der Koalition nur eine leichtere Arbeit ermöglichen. In dem Ausmaß, wie ich mich zurückgezogen habe, ist es der ÖVP gelungen, unsere Leute im Regierungsbereich tödlich zu umarmen, sie zu Verbündeten ihrer Politik zu machen und damit zu Gegnern der freiheitlichen Politik. Der zweite Teil war, dass die ÖVP die Strategie gehabt hat, aus der FPÖ die für sie wichtigen Verbündeten herauszulösen und so eine Spaltung zu versuchen. Damit sie dann vor der FPÖ liegt und den Kanzleranspruch erheben kann. STANDARD: Das ist gelungen. Haider: Unsere Mannschaft ist in diese Falle getappt, das habe ich oft genug gesagt. Das hat dazu geführt, dass manche beleidigt waren. Aber es sind die Kernbotschaften und das Kernimage der FPÖ infrage gestellt worden. Jetzt ist es besser, dass man Klarheit schafft. STANDARD: Bereuen Sie es, dass Sie nicht doch den Parteiobmann gemacht haben? Haider: Riess-Passer hat mich abgewiesen. Sonst hätte die FPÖ eine konsequente Führung gehabt und unser Profil in der Regierung verteidigen können. Um das geht es ja. Ich kann ja nicht wesentliche Dinge, die wir zum Kernbestandteil der Regierungsarbeit gemacht haben, wie die Steuerreform, nach einem Zwei- Stunden-Gespräch in der Regierung absagen und erst dann den Parteivorstand damit zu befassen. Das ist von der demokratischen Auffassung her desaströs und andererseits auch von der politischen Einschätzung her. Jeder weiß, dass die FPÖ für eine Reduzierung der Belastungen und für steuerliche Anreize für tüchtige und fleißige Leute in Österreich steht. Das hätten wir durchführen müssen. Das haben wir ja im Regierungsprogramm verankert gehabt. Zwei Phasen: Sanierung, Entlastung. Man kann nicht sanieren und dann sagen, die Entlastungen gehen sich leider nicht mehr aus. STANDARD: Grasser hat eine Steuerreform für 2005 in Aussicht gestellt. Haider: Ich halte das alles für völlig verrückt. Ich bin neugierig, für wie lange der Applaus für eine Politik anhält, die dieser Republik die höchste Abgabenbelastungsquote beschert. Es gibt ja in breiten Kreisen der Arbeiterschaft einen totalen Frust. Wo man hinkommt, sagt man mir, "Du hast schon Recht mit der Steuersenkung, bleib dabei, lass Dir nichts gefallen". STANDARD: Wie wird es mit der FPÖ nach der Wahl weitergehen? Sie haben eine Neugründung in den Raum gestellt. Haider: Ich glaube, dass man sich das Ergebnis anschauen soll und dann mit Herbert Haupt, der ein Fels in der Brandung ist, gemeinsam überlegen muss, wie man die FPÖ wieder zu einer schlagkräftigen Bewegung macht - befreit um jene Persönlichkeiten, die wenig Rückgrat zeigen. Das ist der Gedanke der Neugründung. STANDARD: Wer sind diese Persönlichkeiten? Haider: Man wird sich sehr genau anschauen müssen, wer in der Lage ist, mitzuhalten und mitzugehen. Es muss eine politische Bewegung sein, wo die Leute sagen, jawohl, das ist wieder die FPÖ, wie wir sie gekannt haben. Da kann man sich verlassen, die nennen die Dinge beim Namen, passen sich nicht an, lassen sich vom politischen Gegner nicht inhalieren. Die haben auch dann ein Stehvermögen, wenn es ihnen kurzfristig zum Nachteil gereicht. STANDARD: Wie wichtig ist es für die FPÖ, in der Regierung zu sein? Haider: Ich halte das für sekundär. Die FPÖ sollte sich das sehr gut überlegen, eine Partnerschaft mit einer Partei fortzusetzen, die sich so unfair verhalten hat. Viele in der Partei haben gesagt, ihr werdet schon sehen, mit den Schwarzen kann man nicht zusammenarbeiten, die sind nicht ehrlich. Das haben wir leider auch massiv erlebt. Da wäre es sinnvoller, dass die FPÖ in Opposition bleibt, bis sich eine andere Option auftut. STANDARD: Aber Herbert Haupt propagiert eine Fortsetzung der Koalition (Siehe: Haupt im derStandard.at-Chat ). Haider: Er lässt sich das offen und schaut sich an, unter welchen Konstellationen das möglich sein könnte. Nachdem Rot-Schwarz im Hintergrund vorbereitet wird, sehe ich mehr die Möglichkeit einer Opposition. STANDARD: Geht es mit der Person Schüssel überhaupt aus Ihrer Sicht? Haider: Mich darf die Partei über diese Persönlichkeit sicherlich nicht mehr fragen. Ich halte ihn für einen eiskalten Spieler. Es ist ihm kein Anliegen, für Österreich etwas zu bewegen, sondern nur, das Spiel zu gewinnen. Das ist ein Spieler. Spieler haben in der Regel wenig Herz und viel brutales Kalkül. STANDARD: Sie selbst gehören in der öffentlichen Wahrnehmung aber auch eher zu den Bösen. Haider: Nicht nur eher. Ich war immer der Böse. Es war das Konzept meiner Gegner, mich zu dämonisieren. Es ist nur eine neue Facette hinzugekommen, dass einige aus unseren Reihen bei diesem Spiel noch geholfen haben. STANDARD: Wer wird aus der Regierungsmannschaft über- bleiben? Haider: Leute wie Böhmdorfer. Er hat absolute Steherqualitäten bewiesen und als Justizminister sehr viel bewegt. Es ist ja bezeichnend, dass in diesem Land einem Finanzminister mediale Huldigungen gemacht werden, der die höchste Belastungsquote verantwortet und sich weigert, die Steuern zu senken. STANDARD: Bis vor zwei Wochen war das noch der FPÖ-Finanzminister. Haider: Ja, aber wir haben aus diesem Grund auch den Konflikt gehabt. Weil ich habe den Koalitionsvertrag unterschrieben. Wenn ich sage, am Ende des Jahres 2003 muss eine Steuersenkung kommen und sie ist vertraglich vereinbart, dann ist sie durchzuführen. Da gibt es keine Ausrede. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16./17.11.2002)