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Oskar Strohmeyer

Foto: APA/Innenministerium
Oskar Strohmeyer sitzt in einem Wiener Traditionscafé und wahlkämpft. Der Kellner muss überzeugt werden, am 24. November das Kreuzerl am richtigen Platz zu machen. Der andere Kellner weiß schon, was er wählen wird: grün. "Passt eh" meint der General. Er wünscht sich eine rot-grüne Regierung. Im Dienste der Sozialdemokratie tourt er durch die Bundesländer und erklärt, ob gefragt oder nicht, jedem kleinen Mann und jeder kleinen Frau, wie er zur Flughafenpolizei "abgeschoben" wurde.


derStandard.at: Sind Sie eine Lichtgestalt im Schattenkabinett Gusenbauers?

Strohmeyer: Das ist alles Kaffeesudlesen, ich engagiere mich in der Wahlbewegung, "weil der Mensch zählt". Ich habe wirklich keine Absicht, in die Politik zu gehen, ich war neun Jahre lang in einem politischen Kabinett tätig, ich hatte die Möglichkeit umzugestalten. Ich bin nächstes Jahr 50, leider am 20. April, das ist kein Datum zum Feiern.

derStandard.at: Wieso kandidieren Sie dann, zwar an unwählbarer Stelle, auf der Bundesliste?

Strohmeyer: Ich hätte sicher einen besseren Listenplatz bekommen, wenn ich es gewollt hätte. Ich wollte mich einfach in die Wahlbewegung einbringen. Weil es zu wenig ist, zu raunzen. Wenn man glaubt, dass ein Wechsel herbeigeführt werden muss, muss man aktiv arbeiten. In allen Bundesländern sagen mir die Kollegen: "Herr General, es muss sich etwas ändern, vor allem im Umgang mit der Gendarmerie."

derStandard.at: Sie werden trotzdem immer wieder im Zusammenhang mit dem Amt des Innenministers genannt.

Strohmeyer: Ein Ministeramt ist immer interessant, weil man hier besonders gestalten kann, aber Alfred Gusenbauer wird die besten Köpfe nehmen und da werden wir sehen, wer dabei ist.

derStandard.at: Welche Atmosphäre herrscht nach Strassers Reformen im Innenministerium?

Strohmeyer: Atmosphärisch ist es so, dass sich niemand mehr den Mund aufzumachen traut. Es ist eiskalt in diesem Haus, die Leute haben Angst. Und was das Schlimme ist, die Leute wagen auch keine Sachkritik mehr zu üben. Man hat den Eindruck, viele sind paralysiert und warten nur noch ab, was passiert. Und am 25.11. wird dann hoffentlich alles anders sein.

derStandard.at: Sie sind immer vehement gegen Minister Strasser aufgetreten.

Strohmeyer: Ich bin nicht gegen die Person Strasser, sondern gegen die Behandlung von KollegInnen aufgetreten. Ich hab mich gegen das Vorgehen gestellt, dass man KollegInnen, die 40 Jahre für die Republik ihr Bestes gegeben haben, anstatt mit Handschlag mit Fußtritt verabschiedet. Das hätte ich auch bei allen anderen Ministern gemacht - ich habe auch schon mit SP-Ministern heftige Diskussionen gehabt.

derStandard.at: Was setzen Sie für Erwartungen in einen SP-Innenminister?

Strohmeyer: Ich erwarte mir von einem SP-Innenminister, dass er nicht so mit Menschen umgeht, wie es derzeit der Fall ist. Aber ich würde mir auch von der SPÖ erwarten, dass man endlich in eine Grundsatzdiskussion eintritt, ob Spitzenbeamte nicht für die Dauer einer Legislaturperiode bestellt werden sollen. Ich glaube, jeder Minister sollte das Recht haben, Mitarbeiter seines Vertrauens in den Spitzenpositionen zu haben. Hier sollte man das amerikanische System andiskutieren und sagen, Minister X kommt und hat das Recht, seine drei, vier Spitzenbeamte auszuwählen und wenn der Minister sich verabschiedet, dann können die sich auch mitverabschieden. Dann muss der neue Minister nicht mit einer Pseudoreform die zweite, dritte, vierte Ebene auch noch treffen. Strassers Reform macht das ganze Haus wesentlich komplizierter. Sie muss rückgängig gemacht werden. Das ist eine Reform, die sich gegen die Exekutive richtet. Der Verwaltungsapparat bekommt das sagen und die Exekutive wird in den Hintergrund gestellt.

derStandard.at:Wollte Strasser Sie von Beginn an loswerden?

Strohmeyer:Als Strasser die Reform ankündigte, und sich erster Widerstand regte, kam sein Sprecher Karner zu mir und bot mir an, das ich meinen Posten behalten könnte, wenn ich schön brav und leise wäre.

derStandard.at: Welche anderen Reformen muss man Ihrer Meinung nach zurücknehmen?

Strohmeyer: Man muss das Bundeskriminalamt stark reduzieren, das wurde um fast zweihundert Beamte verstärkt. Auch die Cobra-Reform ist eine misslungene. Hier gilt es einiges zurückzudrehen. Und der Umgang mit Menschen, das ist der wichtigste Punkt. Man muss offen und ehrlich über Reformen diskutieren. Das hat Strasser nicht gemacht.

derStandard.at:Wenn Strasser Innenminister bleibt, wie sehen dann Ihre Pläne aus?

Strohmeyer:Strasser hat mich ja mit Jahreswechsel zur Flughafenpolizei abgeschoben, ich gehe aber davon aus, das Strasser am 25. November das Haus räumen müssen wird.

derStandard.at: Im Moment denkt er noch an personelle Umbauten.

Strohmeyer: Er zieht offensichtlich diese Strukturreform durch, die soll mit 1. Jänner 2003 in Kraft treten. Es muss unter einer neuen Regierung aber sowieso vieles verändert werden.

derStandard.at: Was denken Sie über Neuerungen wie das Vermummungsverbot?

Strohmeyer:Das muss sicherlich neu diskutiert werden. Ich möchte aber weder dem Parteivorsitzenden noch einem neuen Minister vorgreifen. Ich werde nicht Minister.

derStandard.at: Das Vermummungsverbot ist aber gerade für die Polizei schwer umzusetzen? Was sagen sie als General der Exekutive dazu?

Strohmeyer: Na ja, ist es überhaupt umzusetzen? Gibt es in letzter Zeit gelungene Gesetze? Ich kenne nur wenige.

derStandard.at: Was halten Sie von einer Kennzeichnungspflicht für Polizisten?

Strohmeyer: Gendarmen und Polizisten sollten keine Nummer sein, es sind ja Menschen. Und wo Menschen sind, muss man auch keine Scheu davor haben, ein Namensschild zu tragen.

derStandard.at: Auf manchen Demonstrationen der vergangenen Jahre kam es zu Konfrontationen zwischen Kundgebungsteilnehmern und Exekutive. Bundeskanzler Schüssel hat im TV-Duell behauptet, die Donnerstagsdemonstranten hätten mehrmals sämtliche Scheiben der VP-Zentrale eingeworfen.

Strohmeyer: Demonstrieren ist sehr wichtig. Ich war selber jung und habe versucht, mit Aktionen auf Verschiedenes aufmerksam zu machen. Ich habe selbst einen Hungerstreik über mehrere Tage gemacht, für einen DDR-Häftling. Zerbrochene Scheiben sollten nicht passieren, aber man hat manchmal den einen oder anderen in der Demonstration mit, der über die Stränge schlägt. Man sollte aber schon sagen, dass die Demonstrationen im Großen und Ganzen ruhig und friedlich verlaufen sind.

derStandard.at: Am 13.4.2002 zogen nach der Heldenplatzdemonstration Neonazis "Sieg Heil" skandierend durch die Kärntnerstrasse in Begleitung von zwei STAPO-Beamten, die nicht eingegriffen haben, was heißt das für die Polizei?

Strohmeyer: So wird das zumindest behauptet. Es seien zwei STAPO-Polizisten gewesen, ich kann es nicht verifizieren. Sollte das stimmen, dann müsste man eruieren, was haben sie unternommen, haben sie eine Anzeige gemacht, haben sie das ihrem Vorgesetzten gemeldet.

derStandard.at: Was halten Sie von den Neuerungen in der Asylpolitik?

Strohmeyer: Wir haben es mit Menschen zu tun, mit Mitmenschen, die aus den verschiedensten Gründen nach Österreich kommen, und diese Menschen verdienen es wie Menschen behandelt zu werden. Auch der Minister sollte nicht vergessen, dass das Menschen und Schicksale sind. Flüchtlinge auf die Straße setzen - wohin führt das? Das führt zu einem Abdriften in die Kriminalität.

derStandard.at: Soll der Bundesheereinsatz an den Grenzen weitergeführt werden?

Strohmeyer: Wir hätten die Grenzsicherung ohne Bundesheer nicht durchführen können. Ich war immer nach außen dem Bundesheer sehr dankbar für die großartige Unterstützung, in vielen internen Diskussionen hab ich die Frage aufgeworfen, ob es richtig ist, aus Kostengründen junge Präsenzdiener mit einer kurzen Ausbildung gegen organisierte Kriminalität einzusetzen. Mein Weg wäre der gewesen, dass man die Grenzgendarmerie um 1500 Leute stärker macht, und dass die Gendarmen die Arbeit machen. Durch den Einsatz des Bundesheeres wollte man diese 1500 Grenzgendarmen sparen. Da hat es immer wieder hitzige Diskussionen gegeben. Ich hab mich nicht durchsetzen können - auch nicht unter SP-Ministern.

derStandard.at: Wo sehen sie die Verantwortung in der Causa Omofuma?

Strohmeyer: Die Verantwortung sehe ich bei uns allen. Alle, die führende Positionen im Innenministerium haben oder hatten. Sowas darf nicht passieren.

derStandard.at: Aber es hat damals keine Konsequenzen auf politischer Ebene gegeben.

Strohmeyer: Der Kleine wird zumeist gebissen - man hätte die Verantwortung auf politischer Ebene einfordern können.

derStandard.at: Können oder müssen?

Strohmeyer: Hätte man müssen. Niemand kann sich, auch heute nicht, aus der Verantwortung ziehen.

derStandard.at: Hat Innenminister Strasser ihrer Meinung nach auch etwas Positives bewirkt?

Strohmeyer: Als den positivsten Effekt werde ich in Erinnerung behalten, dass er es geschafft hat, dass die Verbindungstür zwischen dem alten und dem neuen Haus ohne Codekarte zu benutzen ist. Das war das einzige große positive Erlebnis.