Graz - Die prähistorische Siedlungsfundstelle am Fuße des Grazer Schlossbergs, im Grazer Pfauengarten, wurde am vergangenen Wochenende von unbekannten Tätern schwer in Mitleidenschaft gezogen. Wie Grabungsleiterin Martina Roscher am Montag mitteilte, wurde ein späturnenfelderzeitliches Grab, auf das die Archäologen erst dieser Tage gestoßen waren, völlig zerstört. Weiters wurden bei der offensichtlichen Suche nach Fundstücken etliche Holzbefunde und Keramiken entwendet bzw. beschädigt.Kein Gespür "Die Grabung ist für die Geschichte der prähistorischen Besiedelung des Landes natürlich von hervorragender Bedeutung, für Grabräuber gibt es hier aber garantiert nichts zu finden", ärgert sich Grabungsleiterin Martina Roscher. Mit der Zerstörung des rund 3.000 Jahre alten Grabes, auf welches die Archäologen im Zuge einer Notgrabung erst dieser Tage gestoßen waren, sei zumindest dieser Fund "wissenschaftlich nahezu wertlos" geworden. "Man hat offensichtlich auf der Suche nach verwertbaren Fundstücken völlig unsensibel mit Schaufeln tiefe Löcher in den Boden gegraben und dabei im völligen Unwissen einige wichtige Befunde zerstört", so Roscher. Um weitere solche - wissenschaftlich fatale - Vorfälle zu verhindern, wird das Grabungsgelände in Zukunft mit Videokameras überwacht, so die Grabungsleiterin. 600 Quadratmeter Fläche Im Zuge der schon mehrmonatigen Grabung im Grazer Pfauengarten - im Zuge des Baus einer Tiefgarage - sind die Grazer Archäologen in den letzten Tagen auf eine prähistorische Siedlung von bisher ungeahnten Ausmaß gestoßen. "Wir haben hier schon lange Zeit was vermutet, weil es immer wieder Einzelfunde gegeben hat und weil auch schon am angrenzenden Gelände des Landesarchivs Reste einer prähistorischen Siedlung zu Tage getreten waren", so Roscher. Mittlerweile können die Archäologen davon ausgehen, dass sich das hallstattzeitliche Siedlungsgebiet im Pfauengarten auf rund 600 Quadratmeter erstreckt. Bis zum April kommenden Jahres will man die gesamte Fläche untersucht haben. "Wir gehen auch davon aus, dass wir auch am angrenzenden Karmeliterplatz, den wir als nächstes unter die Lupe nehmen werden, auf Siedungsreste stoßen werden", so die Archäologin. Schichtenweise "Zuerst haben wir bei unserer Grabung einen beachtlichen Teil der neuzeitlichen Stadtmauer freigegraben", so Roscher. Rund 140 Meter der bis zu eineinhalb Meter dicken Mauer aus dem 12. bis 17. Jahrhundert wurden freigelegt. Nahe der freigelegten Stadtmauer ist man in drei Meter Tiefe auf die prähistorischen Funde gestoßen. "Wir haben einige Hausgrundrisse und etliche Abfall- und Vorratsgruben gefunden. Auf Grund der Keramik und einiger Metallgegenstände kann man die Siedlung auf das 10. und 9. vorchristliche Jahrhundert datieren." "Die Funde werden fotografiert und gezeichnet und es werden Proben für die C14-Analyse, die genauen Aufschluss über das Alter der Funde geben soll, entnommen", erklärt die Archäologin. Im Anschluss werden die Quadranten (die Grabungsflächen, Anm.) freigegeben, so dass die Bauarbeiten an der Tiefgarage fortgesetzt werden können. Kupferzeitliche Spuren Man ist aber auch auf noch viel ältere, rund 5.000 Jahre alte Spuren aus der Kupferzeit gestoßen. "Auch das war für uns keine Überraschung, weil ja bereits am Schlossberg entsprechende Streufunde gemacht worden sind", so Roscher. "Die Fundstücke bleiben natürlich nicht an Ort und Stelle, sondern werden sicher verwahrt." Nach dem Abschluss der Grabung und der Fertigstellung der Tiefgarage sollen die schönsten Objekte in einer kleinen Ausstellung in der Tiefgarage selbst zu sehen sein. Als wissenschaftlich am aufschlussreichsten stellt sich die Entdeckung mehrerer Hausgrundrisse dar. "Wir haben mehrere Pfostenlöcher und Reste von verbrannten Holzbalken von Gebäuden in Blockbauweise gefunden. Die Häuser waren nach unserer Schätzung rund 15 mal sechs Meter groß und waren zweigeteilt. In einem Teil wurde gewohnt, im anderen Teil das Vieh untergebracht", schildert die Archäologin. "Was wir jetzt schon sagen können ist, dass der Bereich hier am Fuße des Schlossbergs relativ dicht besiedelt war." Die Expertin rechnet mit mehreren hundert Menschen, die hier gelebt haben könnten. Kostenfrage Die archäologische Grabung im Pfauengarten wird seit April dieses Jahres durchgeführt. Finanziert wird die rund eine Million Euro teure Grabung vom Land Steiermark, der Stadt Graz, der EU und dem Arbeitsmarktservice Steiermark. Zum Einsatz kommen acht Archäologen, mehrere Studenten und 24 langzeitarbeitslose Jugendliche, die so in den Arbeitsprozess eingegliedert werden sollen. "Die Jugendlichen arbeiten vorbildhaft, sie sind total begeistert und arbeiten mit vollstem Einsatz", zeigt sich die Grabungsleiterin zufrieden. (APA)