Wien - Die Bundesspitze der
ÖVP hält sich vornehm zurück und agiert eher "subversiv", aus den Ländern aber
steigt auch öffentlich der
Druck auf die SPÖ, Koalitionsverhandlungen mit der
ÖVP aufzunehmen. Dies freilich vor dem Hintergrund einer nicht zur Ruhe kommenden und - mehr denn je -
unkalkulierbaren FPÖ.
Einen lauten Appell an die
SPÖ, sich jetzt nicht zu verschließen, richtet jetzt der
Vorarlberger ÖVP-Landeshauptmann Herbert Sausgruber - verbunden mit einer harschen Kritik am seinerzeitigen
Regierungspartner. Sausgruber im Gespräch mit dem
STANDARD: "Es ist die verdammte Pflicht der Parteien,
auch der SPÖ, eine handlungsfähige Regierung nach
der Wahl entstehen zu lassen.
Und jetzt nicht irgendwelche
taktischen Spielchen, um den
Reiz der Opposition zu machen. Da ist mir zu viel Parteiegoismus und zu wenig öffentliches Interesse im Spiel.
Es geht letztlich auch um eine
patriotische Verantwortung."
Die Demokratie müsse funktionieren, und es müssten
mehrere Möglichkeiten einer
Zusammenarbeit offen sein.
Diese zu blockieren sei "eine Unkultur", sagte Sausgruber.
Dass ein Schwenk der SPÖ in
eine neue große Koalition mit
der Volkspartei auch den
Bruch des Wahlversprechens,
in die Opposition zu gehen,
bedeute, sei ihm bewusst, sagt
Sausgruber. Auch die ÖVP
habe vor der Wahl versprochen, wenn sie hinter die FPÖ
falle, werde sie in Opposition
gehen. Sausgruber: "Auch wir
haben das Wahlergebnis zur
Kenntnis nehmen müssen,
dann aber die Staatsverantwortung wahrgenommen."
Es sei nicht auszuschließen,
dass es mit der SPÖ bei den
"Knackpunkten", wie den Abfangjägern oder Studiengebühren, tragfähige Kompromisse geben könnte. Das könne durchaus "das Ergebnis
von Gesprächen sein". Sausgruber: "So große Unterschiede bei den verschiedenen
Themenbereichen sehe ich
gar nicht. Österreich steht sicher vor großen Problemen,
aber die sind lösbar."
Äußerst unrealistisch
schätzt Sausgruber eine mögliche Koalition mit den Grünen ein. Der Landeschef: "Es
geht hier vor allem um den
Willen, und den sehe ich bei
den Grünen nicht. Seitens der
Grünen schließt man diese Möglichkeit einfach aus. Und
da muss ich auch hier die Unfähigkeit zur Übernahme von
Verantwortung leidenschaftlich kritisieren. Es müsste
doch möglich sein, zumindest
in auslotende Gespräche einzutreten. Natürlich soll auch
die Frage geklärt sein, ob es bei
den Grünen ein linksideologisches Zurück geben wird."
Für eine Koalition mit der
FPÖ sieht Sausgruber momentan schwarz. Zuerst müssten
die Faktoren "Verlässlichkeit
und Stabilität" gesichert sein.
Sausgruber: "Nach dem FP-Parteitag am 8. Dezember
werden wir etwas klarer sehen. Bis dahin heißt es abwarten." Eine der drei Parteien
müssten aber letztlich in jedem Falle "Staatsverantwortung zeigen", denn eine Minderheitsregierung der ÖVP sei
"nicht wünschenswert". (Walter Müller/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.11.2002)