Ihre Lieblingsplätze auf dieser Welt sind weitgehend taubenfrei. Inseln wie Santorin oder Ischia betritt sie daher lieber als den Markusplatz in Venedig. Ansonsten lässt Zoologin Ulrike Aust sich täglich von Tauben umflattern. Sie erforscht nämlich, was die Tiere "mit dem kleinen Hirn, aber den enormen Wahrnehmungsfähigkeiten" sich merken können. Und wie sie das tun. Dafür arbeitet die 34-Jährige täglich mit Dutzenden Tauben in den Volièren des Zoologie-Instituts der Universität Wien. Legt ihnen Computerbilder vor, die sie "begreifen" sollen. Finden die Tauben dann aus einer Reihe von Bildern, die guten, gibt es Futter für's Kröpfchen. Wählen sie das falsche Bild, bleiben die Körndln im Töpfchen. Aust hofft anhand der Arbeit mit den Tieren einmal Rückschlüsse ziehen zu können, wie sich das Denken bei den Menschen entwickelt hat.Den als Kind geäußerten Wunsch, Lehrerin werden zu wollen, hat sie erst einmal für die Fächer Biologie und Erdwissenschaften "mit Auszeichnung" umgesetzt. Dann hat sich die Liebe zu den Tieren doch stärker bemerkbar gemacht und sie hat das nächste Ziel verfolgt, ebenfalls mit Supernoten: das Doktorat. Und dann das nächste Ziel: in die Forschung. Das hat sie als Hertha-Firnberg-Stipendiatin auch erreicht. Die nächsten drei Jahre widmet sie sich wissenschaftlich ganz den Tauben. Danach ist der Forschungsweg frei für Weißbüscheläffchen, Fische oder den Kea-Papagei. Es gibt ja noch so viele Tiere, die was beitragen könnten zum Wissen um die menschliche Gedankenformation. Ob Tier ebenso zielstrebig ist wie Mensch, wenn dieses etwas erreichen will, dürfte unerforscht sein. Ulrike Aust erprobt an sich selber, wie es ist, wenn persönliches Engagement "und die richtigen Forschungsbedingungen Hand in Hand gehen" - dann ist nämlich "der Weg nach oben ohnehin vorgezeichnet". Sich dafür ins rechte Bild zu setzen, ist ihr Anliegen. Verhaltene Bewegungen mit den Händen, Ponyfrisur, die Frage nach dem Bild für's persönliche Zeitungsporträt - "ich bin so heikel bei Fotos". Zu ihrer Eitelkeit steht sie. Sie nimmt auch an, dass die Kette mit der goldenen Eule daran, ein Geschenk zum Studienabschluss, "etwas mit mir zu tun hat". Ein gutes Motto, findet sie, die Eule als Symbol der Weisheit. Keine Frage, Tauben sind nicht alles im Leben, das hat die geborene Wienerin gelernt. Hermann Hesse und Rainer Maria Rilkes Gedichte liest sie zum Ausgleich. Dann einmal Kinder, einmal heiraten - "alles muss seinen Platz haben". Derweil spielt sie mit den Kindern des Bruders. Und weil es sie verrückt machen würde, nichts zu tun, lernt sie zu alldem noch Italienisch. Denn das könnte ja auch einmal am Weg nach oben zu mehr Verständlichkeit beitragen. (Andrea Waldbrunner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30. 11./1.12 2002)