Hans-Georg Betz, gebürtiger Bayer, Politikwissenschafter an der Universität Genf, interpretiert den europäischen Rechtspopulismus vor allem als "Identitätspolitik". Die Rechtspopulisten hätten die traditionellen Parteien dazu gezwungen, ihre zentralen Inhalte zu übernehmen: "Die Frage der Einwanderung in Europa ist gelöst - es gibt keine mehr." Am gleichen Tag, an dem die EU-14 die Sanktionen gegen Österreich verhängten, habe Dänemark das restriktivste Einwanderungsgesetz Europas beschlossen. Die neue Regierung in Frankreich fahre gegenüber der arabischen Jugend in den Großstädten einen harten Kurs. Wenn rechtspopulistische Parteien dann in Regierungen eintreten, verlieren sie an Effektivität, weil man beim Regieren für etwas sein müsse, sie aber meist nur gegen etwas sind. Aber die Probleme mit der Identität der Gesellschaft, die die Rechtspopulisten groß gemacht haben, dauerten ja an: "Der Rechtspopulismus ist ein konjunkturunabhängiger Ausdruck der Krise von hoch entwickelten liberalen Demokratien." Die Politik- und Demokratieverdrossenheit werde "nicht abklingen, weil die FPÖ jetzt 16 Prozent verloren hat". Die Rechtspopulisten beharrten auf ihrer Idee von kultureller Selbstbestimmung. Es gehe ihnen jetzt vor allem um die Bedrohung durch den Islam. Gleichzeitig fühle man sich in seiner europäischen Identität auch durch die Dominanz der USA und das amerikanische Gesellschafts- modell bedroht. Die große Frage, die sich nicht nur auf den Rechtspopulismus beschränke, sei: Was ist Europa? Und: Was ist die Zukunft Europas? Diese Frage stelle sich gegenüber den USA und dem Rest der Welt. Diese Unsicherheit über die Rolle Europas habe es schon einmal in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts gegeben, und Hitler habe auf seine Art in seinem programmatischen Buch "Mein Kampf" versucht, darauf eine Antwort zu geben. Auch wenn man den Rechtspopulismus auf keinen Fall als Wiederkehr des Faschismus oder Nationalsozialismus überbewerten dürfe, so sei diese Verunsicherung über die eigene Identität in Europa wieder sehr stark und daher gefährlich.