Hiltraut L. ist rückfällig geworden. 1982 hatte sie einen Schreibtisch mit vier Rollen gekauft. Beim Auspacken daheim waren es nur noch drei Rollen. Die vierte wollte man ihr zuschicken. - Seit 20 Jahren steht der Schreibtisch mit seinem vierten Eck auf einem blauen Holzbaustein ihres heute volljährigen Kindes.November 2002: Hiltraut tut es wieder. Sie erwirbt beim Möbelhaus ihres einst enttäuschten Vertrauens einen Bürosessel. Verdächtig: Der Karton ist zerrissen und mit Tixo zugeklebt. Aber der Lagerleiter segnet ihn ab. Daheim passen die Schrauben nicht ins Gewinde. Am Eisenteil haben Hiltrauts Vorgänger Kratzspuren hinterlassen. Über ein Callcenter sucht Hiltraut vergeblich eine Beschwerdestelle. Irgendwo ist man bereit, einen intakten Sessel herauszurücken. Die Kundin kann kommen und umtauschen. Aber diesmal will sie es wissen: Was geschieht mit dem Secondhand-Stuhl? - Sie erfährt: Dessen Schicksal fällt nicht in die Zuständigkeit der Umtauschstelle. In welche sonst? - In keine. Der Karton wird also wieder zugeklebt und ins Lager gestellt. Irgendwann wird sich schon ein Kunde finden, der den maroden Sessel behält. Ein Kunde wie Hiltraut L. vor 20 Jahren.(DER STANDARD, Printausgabe, 2.12.2002)