Berlin - "Herr Eichel, Sie haben bewusst zehn Tage vor der Bundestagswahl von diesem Platz aus die Unwahrheit gesagt" - Dienstag wurden im deutschen Bundestag scharfe Töne angeschlagen. Zum Auftakt der Budgetdebatte in Berlin warf die Opposition der rot-grünen Bundesregierung vor, "die deutsche Öffentlichkeit bewusst getäuscht zu haben". Ein sichtlich echauffierter Finanzminister Hans Eichel bezichtigte die CDU/CSU unterdessen der politischen "Falschmünzerei". Sie habe vor der Wahl selbst 30 Milliarden Euro an Steuererleichterungen versprochen. Mit ihrem Verhalten nun mache die Union "die politische Klasse insgesamt kaputt".Eichel machte die Weltwirtschaft für die desolate Haushaltslage verantwortlich. Die gravierenden Steuerausfälle machten es notwendig, dem Bundestag ein Finanzpaket vorzulegen, das die immer größer werdenden Haushaltslöcher stopfen soll. Von seinem jahrelang gefahrenen Sparkurs musste der "Eiserne Hans" dabei abgehen. Der Nachtragshaushalt für 2002 und der Etat für 2003 sehen Einnahmen vor allem aus neuen Steuern und durch Neuverschuldung vor. Von den Sparmaßnahmen sind Privathaushalte und Unternehmen betroffen. Das Bündel reicht von der neuen Pauschalsteuer auf Aktien-und Immobiliengewinne, Abstrichen bei der Eigenheimzulage und der Arbeitslosenhilfe bis zur Mindestbesteuerung für Konzerne. Wenn der Bundesrat zustimmt, bringt das Paket 2003 Bund, Ländern und Kommunen 3,6 Milliarden Euro. Bis 2006 steigt der Betrag auf 16,8 Milliarden Euro an. Außerdem erhöht sich die Neuverschuldung mit dem Nachtragshaushalt von 21,1 Mrd. auf 34,6 Mrd. Euro. Im kommenden Jahr soll sie bei 18,9 Mrd. Euro liegen, 3,4 Mrd. mehr als im Sommer von Eichel veranschlagt. Damit soll Deutschland kommendes Jahr wieder alle Euro-Stabilitätskriterien schaffen. Einräumen musste Eichel am Dienstag auch, dass die Zahl der Arbeitslosen in diesem Winter "deutlich" über vier Millionen liegen werde. Die Union forderte Eichel unterdessen zum Rücktritt auf. Als Beleg für dessen "Lügen" verwies Fraktionschef Friedrich Merz auf Aussagen des Finanzministers, es werde keine höhere Neuverschuldung geben. Da der Minister jetzt immer noch behaupte, vor der Wahl nichts von den Haushaltslöchern gewusst zu haben, werde die Union den Untersuchungsausschuss beantragen (siehe unten), wo Eichel "unter Strafandrohung zur Wahrheit verpflichtet sei". "Sie haben die Menschen angelogen", sagte auch der CDU-Haushaltsexperte Dietrich Austermann. Und dies sei keineswegs ein abgeschlossener Vorgang, denn "es wird ja weiter geschwindelt". "Kollektivschuld" Antje Hermenau von den Grünen wertete die hohe Schuldenlast selbstkritisch als "Kollektivschuld" aller im Bundestag vertretenen Parteien. Es sei falsch, sich ständig nur gegenseitig die Schuld zuzuschieben. Der Bund der Steuerzahler schlug indes vor, ausgeschiedenen SPD-Ministern ihre Übergangsgelder zu kürzen. (dpa, AFP, AP/DER STANDARD, Printausgabe, )