Kostunica ist haushoher Favorit - Wahl könnte erneut wegen zu geringer Beteiligung scheitern - Werbekampagne der OSZE
Redaktion
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Belgrad - Bei der Wiederholung der serbischen
Präsidentenwahl am Sonntag treten nur drei Kandidaten an (im
September waren es noch elf). Als absoluter Favorit gilt erneut der
jugoslawische Präsident und Vorsitzende der Demokratischen Partei
Serbiens (DSS), Vojislav Kostunica. Der 58-jährige Jurist hatte im
Oktober die Stichwahl gegen den jugoslawischen
Vizeministerpräsidenten Miroljub Labus klar gewonnen. Da aber nur 45
Prozent der Wahlberechtigten zum Urnengang schritten, war dieser
Erfolg Kostunicas bedeutungslos.
Inzwischen ist die strittige Gesetzesbestimmung, wonach sich
sowohl am ersten Wahlgang als auch an der Stichwahl mindestens
fünfzig Prozent der Wahlberechtigten beteiligen müssen, teilweise
abgeändert worden. Sehr wohl gilt aber nach wie vor die 50
Prozent-Hürde für den ersten Wahlgang. Nimmt man die neuesten
Umfragen zum Maßstab, könnte Kostunica erneut zum klaren Sieger, aber
eben nicht zum Präsidenten erklärt werden. Die
Meinungsforschungsagentur "Strategic Marketing" prognostiziert eine
Wahlbeteiligung von 46 Prozent. Andere Meinungsforscher gehen von
einer noch niedrigeren Beteiligung aus.
Hunderttausende "Phantomwähler"
Nach einer der nur spärlichen Umfragen kann der amtierende
jugoslawische Präsident mit etwa 66 Prozent der Stimmen rechnen. Der
größte Konkurrent ist der Vorsitzende der Serbischen Radikalen Partei
(SRD), Vojislav Seselj. Der Ultranationalist, der bei der
Septemberwahl mit 23 Prozent überraschend viele Stimmen einheimsen
konnte, rechnet dieses Mal mit der Unterstützung der Anhänger der
ehemaligen Regimeparteien, der Sozialistischen Partei des
Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic und der neokommunistischen
Jugoslawischen Linken (JUL) von dessen Gattin Mira Markovic. Etwas
mehr als 30 Prozent werden Seselj aber nicht bescheinigt.
Der dritte Kandidat, der Vorsitzende der Partei der Serbischen
Einheit (SSJ), Borislav Pelevic, gilt als absoluter Outsider. Der
ehemalige enge Mitarbeiter des vor knapp drei Jahren ermordeten
serbischen Mafiabosses und Freischärlerführers Zeljko Raznatovic
alias "Arkan" hatte bereits bei der Septemberwahl nur knapp vier
Prozent der Stimmen erhalten. Mehr dürften es auch dieses Mal nicht
werden.
Kostunica und dessen Partei hatten das Scheitern der ersten Wahl
auf die "unordentlichen Wählerverzeichnisse" zurückgeführt. In den
Verzeichnissen sollen einige hunderttausende "Phantomwähler"
aufscheinen. Zudem kritisierte die DSS die Regierung des
Ministerpräsidenten Zoran Djindjic, nicht dafür gesorgt zu haben,
dass auch die im Ausland lebenden serbischen Staatsbürger ihr
Wahlrecht ausüben konnten. Im Ausland darf nur das in diplomatischen
Vertretungen tätige Personal an der Wahl teilnehmen. Nach Angaben der
serbischen Wahlkommission sind seit Oktober rund 30.000 Namen aus den
Verzeichnissen gestrichen worden. Wahlberechtigt sind somit 6.525.660
Menschen.
Werbekampagne der OSZE
Die OSZE-Mission in Belgrad hatte vergangene Woche eine
Werbekampagne gestartet, um die Bürger Serbiens zum Urnengang zu
bewegen. Manch ein heimischer Kenner der Verhältnisse ist hingegen
der Ansicht, dass diese Kampagne gerade das Gegenteil bewirken
könnte. "Serben mögen es nicht, wenn sich Ausländer in ihre
Angelegenheiten einmischen", kommentierte etwa die Belgrader
Tageszeitung "Danas".
Entsprechend der Verfassung müsste der neue Staatschef mindestens
30 Tage vor Ablauf der Amtszeit des aktuellen Präsidenten Milan
Milutinovic gewählt werden. Der einst enge Mitarbeiter von Milosevic
war am 29. Dezember 1997 gewählt worden und hatte am 5. Jänner 1998
sein Amt übernommen. Die Verfassungsfrist ist also bereits mit dem
Wahltermin überschritten. (APA)
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