SVP-"Sprengkandidatur" für Bundesrat erzwang fünf Wahlgänge - Couchepin neuer Bundespräsident - Ressortrochaden erwartet
Redaktion
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Bern - Der Versuch der rechtskonservativen
Schweizerischen Volkspartei (SVP), die seit über vier Jahrzehnten
geltende "Zauberformel" für die Zusammensetzung der Regierung zu Fall
zu bringen und einen zweiten Bundesratssitz zu erobern, ist
fehlgeschlagen. Die so genannte "Sprengkandidatur" des SVP-Politikers
Toni Bortoluzzi für die Nachfolge der zurückgetretenen
sozialdemokratischen Innenministerin Ruth Dreifuss erzwang am
Mittwoch im Bundesparlament in Bern fünf Wahlgänge. Gewählt wurde
schließlich die Sozialdemokratin Micheline Calmy-Rey. Zum
Bundespräsidenten für 2003 wählte die aus den beiden
Parlamentskammern - Nationalrat und Ständerat - bestehende
Vereinigte Bundesversammlung erwartungsgemäß den freisinnigen
Wirtschaftsminister Pascal Couchepin.
Nach der so genannten "Zauberformel" (2:2:2:1) stellen
Sozialdemokraten (SP), Freisinnige (FDP) und Christdemokraten (CVP)
je zwei Bundesräte (Minister), die SVP einen. Daran änderte sich auch
nichts, als die SVP aus den Nationalratswahlen 1999 knapp als
stimmenstärkste Partei hervorging.
SVP-Parteipräsident Ueli Maurer äußerte sich unzufrieden mit dem
Ergebnis der Bundesratswahl. Die Regierung entspreche in ihrer
Zusammensetzung nicht mehr dem "Konkordanzprinzip", sagte Maurer nach
der Niederlage des SVP-Kandidaten Bortoluzzi.
Die 57-jährige Genfer Finanzdirektorin Calmy-Rey erhielt im
fünften Wahlgang 131 von 199 gültigen Stimmen. Der 60-jährige
Walliser Freisinnige Couchepin wurde mit 166 Stimmen zum Nachfolger
von Bundespräsident Kaspar Villiger gewählt. Justizministerin Ruth
Metzler (CVP) wurde für 2003 zur Vizepräsidentin des Bundesrates
gewählt.
Ressortrochaden im Schweizer Bundesrat
?
Im Zuge der Bundesratswahlen könnte es zu einer Departementsrochade - einem Austausch der Ressorts zwischen
den Ministern - kommen. Die Bürgerlichen haben nämlich ein Auge auf
das Innenministerium (EDI) geworfen, dessen sozialdemokratische
Ressortchefin Ruth Dreifuss aus der Regierung ausscheidet. Dem neu
gewählten Bundespräsidenten und bisherigen Wirtschaftsminister Pascal
Couchepin von den Freisinnigen (FDP) fällt dabei die Schlüsselrolle
zu.
Die Regierung trifft sich - mit der frisch gewählten Micheline
Calmy-Rey, aber ohne die Demissionärin Ruth Dreifuss - am 11.
Dezember im Präsidentensalon. Wie lange die Diskussion über die
Departements-Zuteilung dauert, lässt sich nach bisheriger Erfahrung
nicht voraussagen. Keineswegs sicher ist, dass die Sozialdemokratin
Calmy-Rey das Innenministerium von ihrer Vorgängerin Dreifuss
übernimmt. Nach Hans-Peter Tschudi (bis 1973) war Dreifuss das
einzige SP-Mitglied an der Spitze des EDI, zu dem vor allem der
wichtige Sozialbereich gehört. Die Bürgerlichen könnten nun die
Gelegenheit ergreifen, dieses Ressort zurück zu erobern.
Traditionsgemäß werden die Regierungsmitglieder ihre
Departementswünsche in der Reihenfolge des Amtsalters (Anciennität)
vorbringen. (APA/sda)
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