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RAI-Krise verschärft sich: Gewerkschaften rufen Streik aus
Protesttag am 20. Dezember - Journalisten schließen sich an - Verlust der Konkurrenzfähigkeit gegen Privat-TV beklagt
Die Krise von Italiens öffentlich-rechtlicher
TV-Anstalt RAI vertieft sich. Das Personal des italienischen
Staatsfernsehens hat am Mittwoch zu einem Streik am 20. Dezember
aufgerufen, um gegen die Notstandslage zu protestieren, in der sich
die RAI nach dem Rücktritt von drei der fünf Mitglieder des
RAI-Aufsichtsrats befindet. Dem Protest werden sich auch die
RAI-Journalisten anschließen, hieß es in einer Pressemitteilung. Der Chaos an der Spitze des Unternehmens nach dem Rücktritt der
drei Aufsichtsratsmitglieder, das andauernde Sinken der
Einschaltquoten, der die Werbeeinnahmen bedroht, sowie der Mangel an
einer Unternehmensstrategie seien die Gründe des Protests, betonten
die Gewerkschaften des RAI-Personals. Das Staatsfernsehen verliere
ständig an Konkurrenzfähigkeit gegenüber der privaten TV-Gruppe
Mediaset unter Kontrolle des italienischen Regierungschefs Silvio
Berlusconi.
Belastung der Wettbewerbsfähigkeit und der Glaubwürdigkeit
"Dieser Zustand belastet nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der
RAI, sondern bedroht auch ihre Glaubwürdigkeit", so die
Gewerkschaften. Sie forderten die Kammerpräsidenten, Pier Ferdinando
Casini und Marcello Pera, die verfassungsgemäß für die
öffentlich-rechtliche TV-Anstalt verantwortlich sind, auf, Initiative
zu Gunsten des Unternehmens zu ergreifen.
Knapp neun Monate nach Ernennung ging vergangene Woche der von
Berlusconi ernannte RAI-Aufsichtsrat in die Brüche. Zwei der
Opposition nahe stehende Aufsichtsratsmitglieder, Luigi Zanda und
Carmine Donzelli, waren zurückgetreten, was de facto die RAI-Spitze
lahm legte. Mit dem Rücktritt protestierten sie gegen Berlusconis
Vertrauensmann, Antonio Baldassarre, der seit Februar RAI-Präsident
ist (
etat.at
berichtete). "Es fehlt jegliche Voraussetzung für eine konstruktive
Zusammenarbeit mit Präsident Baldassarre, dessen Ideale,
Zukunftsvisionen und operative Strategien mir unbegreiflich sind",
hatte Zanda in seinem Rücktrittsbrief formuliert. Ein drittes
Aufsichtsratsmitglied, Marco Staderini, ist vergangene Woche dem
Beispiel seiner beiden Kollegen gefolgt.
Dauerspannung
Der Rücktritt der drei RAI-Aufsichtsratsmitglieder kam nicht aus
heiterem Himmel. Die Spannungen waren in den letzten Wochen bereits
so eskaliert, dass mit einer derartigen Aktion zu rechnen war.
Präsident Baldassarre wurde von der Opposition beschuldigt,
regierungsfreundliche Manager an die Spitze einiger RAI-Töchter
gestellt zu haben, obwohl andere, kompetentere Kandidaten für die
Übernahme der Posten bereit gewesen waren. Für Dauerspannung hatte
auch der Beschluss des Präsidenten gesorgt, die oft
regierungskritischen Programme der beiden Starjournalisten Enzo Biagi
und Michele Santoro zu streichen.
Die Präsidenten der italienischen Abgeordnetenkammer, Casini und
Pera, suchen seit Tagen vergebens nach einer Lösung für die RAI.
Während Pera auf die Ernennung eines neuen Aufsichtsrats drängt,
fordert Casini die Ersetzung der zurückgetretenen Mitglieder der
RAI-Spitze. Die Verhandlungen sind in eine Sackgasse geraten. Die
Zukunft des italienischen Staatsfernsehen in der Ära Berlusconi
scheint ungewisser denn je. (APA)