Wien - Die Verschuldung der österreichischen Haushalte ist in den vergangenen Jahren explodiert. Die Zahl der Lohn-und Gerichtspfändungen ist auf 1,65 Mio. Fälle (760.000 Lohnpfändungen und 890.000 Gerichtsvollzieherpfändungen) pro Jahr geklettert. Die klassische Schuldnerkarriere beginne bereits in sehr jungen Jahren mit sorglosen Kontoüberziehungen, betont der Leiter der Schuldnerberatung Wien, Alexander Maly, der am Mittwoch in der Auktionshalle des Gerichtsgebäudes in der Wiener Riemergasse sein Buch "Tatort Banken" präsentierte. Rund 350.000 österreichische Haushalte sind überschuldet und daher Fälle für die Gerichte, schätzt Maly. Das sind dreimal so viel wie im Jahr 1989. Rund ein Drittel der verschuldeten Familien lebt in Wien. Die durchschnittliche Verschuldung bewegt sich laut Maly in einer Bandbreite zwischen 36.000 Euro und 100.000 Euro. Geld fürs Wohnen 64 Prozent der Kredite entfallen auf Wohnen, 36 Prozent auf Konsumkredite. Maly geht aber davon aus, dass sich dieses Verhältnis deutlich in Richtung Konsumkredite verschoben habe, da nicht klar sei, ob Wohnungsdarlehen nicht anderwertig verwendet werde. Der Löwenanteil der Schulden fällt auf Bankkredite, gefolgt von Schulden bei Versandhäusern und an dritter Stelle bereits bei Mobilfunkbetreibern. Hauptschuld an der steigenden Verschuldung gibt Maly den Banken. Diese verdienen an einem in Verzug gekommenen Zahler besser als an einem prompten Zahler. Explodiert sei die Zahl der Problemfälle seit 1986 mit der Einführung der Drittschuldabfragung, die eine Lohn- und Gehaltspfändung erleichtert. Seit damals können die Banken und Kreditinstitute beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger den jeweiligen Arbeitgeber eines Schuldners abfragen und mit einem Gerichtstitel pfänden. Großzügige Überziehungsrahmen Banken ließen jedenfalls nichts unversucht, um Kunden das Überziehen ihrer Konten schmackhaft zu machen, so Maly. Großzügige Überziehungsrahmen werden eingeräumt und mit Angeboten wie "Ihre persönliche Einkaufsreserve" werde verschleiert, dass Geld ausgegeben werden soll, das eigentlich gar nicht vorhanden ist. Das bevorstehende Weihnachtsgeschäft werde voraussichtlich wieder zu kräftigen Kontoüberziehungen und damit zu höheren Rückzahlungsverpflichtungen führen, fürchtet Maly. Eine geringfügige Verschlechterung des Einkommens durch Jobwechsel, Arbeitsplatzverlust, Krankheit oder Scheidung lässt dann in vielen Fällen die Schuldenfalle zuschnappen. (APA, DER STANDARD, Printausgabe 5.12.2002)