Villach - Kotreste auf dem Rollstuhl, Fixiergürtel, volle Urinbeutel, die niemand entsorgte. Alte Menschen, die strafhalber auf einer Art Leibstuhl festgeschnallt wurden, manchmal stundenlang. Wichtige Medikamente, die unregelmäßig verabreicht wurden. Wer "schlimm" war, dem wurde das Besuchsrecht eingeschränkt. All das soll sich in einem privaten Pflegeheim in Villach abgespielt haben. Bis es der Angehörigen eines Pfleglings zu viel wurde und sie über Anraten des FP-Sozialsprechers Siegfried Jost einen Beschwerdebrief an den "Berufsverband für Gesundheit und Krankenpflege" verfasste.

Dieser leitete das Schreiben an die Sozialabteilung des Landes Kärnten weiter. Tags darauf veranlasste Soziallandesrätin Gabriele Schaunig-Kanduth eine unangemeldeten Kontrolle durch eine Sachverständige des Landes. Diese stellte in ihrem Gutachten "gravierende Mängel im sanitären Bereich und bei der Medikamentenvergabe" fest. Eine weitere Überprüfung durch eine Gerichtssachverständige bestätigte das Vorgefundene. Das reichte aus, um das Heim sofort sperren zu lassen und Anzeige bei der Staatsanwaltschaft zu erstatten. Die pflegebedürftigen Menschen werden verlegt.

Landesbewilligung

Schaunig-Kanduth zeigte sich im Gespräch mit dem STANDARD "fassungslos". Die private Pflegestation gebe es sei vier Jahren. Drei fremde Pfleglinge und eine Familienangehörige würden im Haus der Betreiberin, der Gattin eines ehemaligen ÖVP-Politikers, "betreut". Die hatte bereits eine Landesbewilligung für weitere 50 Betten.

Bei einer angemeldeten Kontrolle im Sommer war nichts Gravierendes zum Vorschein gekommen. Warum Missstände der Behörde solange verborgen blieben, erklärt Schaunig-Kanduth mit den derzeitigen Bestimmungen im geltenden Heimgesetz: "Für Pflegestationen, in denen nicht mehr als drei familienfremde Personen betreut werden, besteht keine Meldepflicht." Daher gebe es auch keine Aufsichtsmöglichkeit. Das soll jetzt geändert werden.

Über das Wie ist jetzt eine politische Kontroverse ausgebrochen. Schaunig-Kanduth, die seit einem Jahr für den Ausbau der Kontrolle beim Land kämpft und bisher bei Landeshauptmann Jörg Haider abblitzte, will dafür mehr Dienstposten. Denn derzeit würden 2600 Kärntner Pflegebetten in 45 Alten- und Pflegeheimen von einer Mitarbeiterin kontrolliert. Haider schlägt ein Auslagerungsmodell vor. Ein Pflegeanwalt soll mit dem Berufsverband die Aufsicht übernehmen. (stein, DER STANDARD Printausgabe 5,12.2002)