Palästinenserstaat à la Sharon stößt auf Ablehnung
Sonderberater von Arafat: "Vorschlag ist eine Sabotage des Friedensprozesses" - Ultrarechte warnen vor "Terrorstaat"
Redaktion
,
Jerusalem - Die Vorstellungen des
israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon von einem künftigen
palästinensischen Mini-Staat, dem die elementaren Wesensmerkmale
eines Völkerrechtssubjekts fehlen würden, sind auf Ablehnung
gestoßen. Das Gebilde, das Sharon vorschwebt, besäße keine politische
Handlungsfreiheit und könnte nicht als souverän angesehen werden. Die
palästinensische Führung sieht in den Vorschlägen eine "Sabotage des
Friedensprozesses", wie der Sonderberater von Präsident Yasser
Arafat, Nabil Abu Rudeina, am Donnerstag im Radio erklärte. Israels
extreme Rechte sprach dagegen von einer "existenziellen Bedrohung"
durch das Entstehen eines "Terrorstaates".
Sharons Vorschläge seien "alt und nicht ernst gemeint", sagte Abu
Rudeina. Der Premier hatte am Mittwochabend gesagt, dass Israel erst
den militärischen Druck auf die Palästinenser lockern werde, wenn
diese den Terror beendet und eine neue Regierung gebildet hätten.
Arafat solle künftig nur noch ein symbolisches Amt ausüben. In einer
zweiten Phase werde Israel die Bildung eines "vorläufigen"
palästinensischen Staates in den in den Oslo-Verträgen definierten
Verwaltungszonen akzeptieren, die gegenwärtig etwa 42 Prozent des
Territoriums des Gaza-Streifens und des Westjordanlandes ausmachen.
Israel werde die Außengrenzen und den Luftraum des Staates
vollständig kontrollieren, der nur über eine leicht bewaffnete
Polizeitruppe verfügen dürfe.
Völkerrechtliche Kriterien der Staatlichkeit nicht erfüllt
Die Ausübung der Staatsgewalt in dem Gebilde wäre nach den
israelischen Vorgaben dermaßen eingeschränkt, dass die
völkerrechtlichen Kriterien der Staatlichkeit auch nicht ansatzweise
erfüllt wären, wie VölkerrechtsexpertInnen betonen. Auf dem Territorium
des künftigen "Staates" will Israel außerdem noch so genannte
"Sicherheitszonen" unter seiner direkten Kontrolle behalten. Der
Palästinenserstaat könnte nach Sharons Definition weder Allianzen und
Pakte schließen, noch seine wirtschaftlichen Beziehungen zu anderen
Staaten nach den eigenen Bedürfnissen gestalten.
"Niederlage im Kampf gegen Terrorismus"
Führende israelische Rechtsaußenpolitiker haben Sharons
Ankündigung bereits heftig kritisiert. Die Gründung eines
Palästinenserstaates sei das "Eingeständnis der Niederlage im Kampf
gegen den Terrorismus", sagte der Führer der Nationalreligiösen
Partei und Minister ohne Geschäftsbereich, Ex-General Effi Eitam, am
Donnerstag im staatlichen Rundfunk. Die Politik Sharons bedrohe die
Sicherheit Israels. Der Chef der Rechtsaußen-Koalition "Nationale
Einheit", Avigdor Lieberman, verurteilte die Äußerungen Sharons als
"blind": "Wir werden die israelischen Dörfer der Bedrohung durch
palästinensische Raketen ausliefern." Israel dürfe nicht der
Errichtung eines "Terrorstaates" an seiner Seite zustimmen.
Völkerrechtlich würde ein palästinensischer Staat auf
"staatenlosem Gebiet" entstehen, nachdem der verstorbene jordanische
König Hussein II. im Juli 1988 "in Anerkennung des legitimen Rechts
der Palästinenser auf einen unabhängigen Staat" die staatstrechtliche
Ausgliederung des von Israel besetzten Westjordanlandes mit
Ostjerusalem aus seinem Reich proklamiert hat. Der Palästinensische
Nationalrat (PNC) als Exilparlament und höchste Instanz der 1964
gegründeten Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) hatte nach
der jordanischen Entscheidung am 15. November 1988 in Algier den -
von der Mehrheit der UNO-Mitglieder anerkannten - "Staat Palästina"
auf dem Territorium des Westjordanlandes und des Gaza-Streifens
ausgerufen und PLO-Chef Arafat zum Präsidenten gewählt. (APA/Reuters)
Forum:
Ihre Meinung zählt.
Die Kommentare im Forum geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion behält sich vor, Kommentare, welche straf- oder zivilrechtliche Normen verletzen,
den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen
(siehe ausführliche Forenregeln),
zu entfernen. Benutzer:innen können diesfalls keine Ansprüche stellen.
Weiters behält sich die STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H. vor, Schadenersatzansprüche
geltend zu machen und strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.