EZB-Präsident Wim Duisenberg

montage: derstandard.at
Wien/Frankfurt - "Eine weise Entscheidung", reagierten die Volkswirte der großen europäischen Banken fast unisono auf den großen Zinsschritt der Europäischen Zentralbank. Allerdings: Wirksam werde diese Zinsenerleichterung erst im Sommer 2003 für die Wirtschaft, sagten die Volkswirte. Die Zinssenkung war von Politikern, vor allem Deutschlands und Frankreichs, heftig gefordert und von den Märkten erwartet worden. Die Aktien reagierten daher am Donnerstag nur kurzfristig positiv, der Dax fiel dann wieder auf sein Niveau von vor dem Zinsschritt zurück. Ebenso verhielt sich der Euro, der wieder unter die Parität zum Dollar sank. Der Zinsschritt sei schon in den Tagen zuvor eingepreist worden, hieß es zur Begründung. Mittelfristig hoffen nun allerdings die Marktteilnehmer, dass mehr Geld in die Aktienmärkte fließen werde. Euro-Dämpfer Trotz des geschrumpften Zinsabstands zum Dollar (US-Leitzinsen: 1,25) bedeute die Zinssenkung für den Euro mittelfristig eine Unterstützung. Wenn die Wirtschaft wieder an Fahrt gewinnt, sollte sich der Euro gegenüber dem US-Dollar über der Parität befestigen können, meinen die Experten der Bank Austria Creditanstalt. Mit der Senkung des europäischen Leitzinssatzes würden Auftriebstendenzen für den Euro gegenüber dem US-Dollar gebremst werden, was sich positiv auf die Exportbemühungen Österreichs und der Eurozone auswirke, heißt es in der Wirtschaftskammer. Die Senkung sei "eine Ermutigung für Europas Wirtschaft". Bartenstein erfreut Auch Wirtschaftsminister Martin Bartenstein begrüßt die Zinssenkung als Signal für die Wirtschaft, alleine würde diese aber nicht ausreichen, um eine nachhaltige Konjunkturerholung zu garantieren, was auch Notenbankgouverneur Klaus Liebscher sagte. Gleichzeitig wird der Zinsschritt aber als Bestätigung für flaue Aussichten an der Konjunkturfront gewertet. So begründete auch EZB-Chef Wim Duisenberg, der seit Monaten unter großem politischem Druck für eine Zinssenkung gestanden ist, den Schritt: Die Abwärtsrisken für das Wirtschaftswachstum seien nicht zurückgegangen. Besonders besorgt sind die Ökonomen über eine neuerliche Rezession in Deutschland. Die Preisstabilität bleibe, so die EZB, der Inflationsdruck (2,2 Prozent im Vormonat) habe nachgelassen. An die Regierungen erging erneut der Aufruf nach strukturellen Reformen und Haushaltsdisziplin. Nach Ansicht der Volkswirte in den heimischen Banken sollte nun der Tiefpunkt in der amerikanischen und europäischen Landschaft erreicht sein. Seit dem Höhepunkt der Zinsen im Jahr 2000 mit 4,75 Prozent in Europa und 6,50 Prozent in den USA wurde in sechs bzw. 13 Schritten gesenkt. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 6.12.2002)