Kunst
Gähnen im Quartier 21
Viel Ärger drei Monate nach Eröffnung
Wien -
In einem menschenleeren, teils vermüllten, teils unfertigen
Zustand präsentierte sich das am 13. September als "Kulturflaniermeile" eröffnete Quartier 21
im Fischer-von-Erlach-Trakt des MuseumsQuartiers (MQ) bei vier APA-Lokalaugenscheinen; Ärger der Nutzer und Vertröstung seitens der Betreiber wurden registriert: Der Zustand der
Räumlichkeiten der so genannten "Electric Avenue" kann, angesichts einer pompös inszenierten Eröffnung
vor knapp drei Monaten, nicht anders als desaströs beschrieben
werden. Wo buntes, turbulentes Kulturleben versprochen war, herrscht
weitgehend Ödnis und Wüste. Bierkisten, Papierschlangen und alte
Plakate zeugen von der längst vergangenen Eröffnungsparty, nicht aber
von laufender Kulturarbeit. Auf den (bequemen) Sitzpölstern sich
ausruhende Passanten sowie mit Büchern und Walkman gegen die
Einsamkeit bewaffnete Mitglieder weniger Institutionen bestimmen das
Bild, zu Gesprächen oder Austausch mit den Kulturschaffenden lädt die
Flaniermeile derzeit nicht ein.
Anstelle der versprochenen Durchgängigkeit der Räumlichkeiten
trifft man bei der Buchhandlung Prachner auf eine (auch untertags)
versperrte Glastüre - "Derzeit kein Durchgang", wird das
Offensichtliche auf einem auf dieser Tür affichierten Zettel benannt.
Dafür darf man sich in der MQ Kantine so richtig gefrotzelt fühlen.
"Wir eröffnen im Oktober", lacht es von Plakaten herunter, dem
Augenschein zum Trotz. Scherzbolde haben mit Filzstift nachträglich
die Jahreszahlen 2004 bzw. 2005 ergänzt. Aufgesperrt wäre das Lokal
genau zwei Mal gewesen, heißt es im MQ Ticket Center: "Für die
Eröffnung und für die lange Nacht der Museen."
"Weitgehend abgeschlossen"
Dass es Mängel gebe, gibt MQ-Geschäftsführer Wolfgang Waldner
gegenüber zu. Die Bauarbeiten seien jedoch ausgerechnet
am Vortag des Gespräches "weitgehend abgeschlossen" worden, die
Mängelbehebung werde weiterlaufen. Der Durchgang von der Buchhandlung
in die Electric Avenue werde in den kommenden Tagen geöffnet sein,
die Verzögerungen hätten sich auf Grund von Problemen mit einer
Subfirma ergeben, so Waldner, der betonte, dass nicht nur die
Flaniermeile, sondern auch der bereits abgenommene Ovaltrakt zum
Quartier 21 gehört.
Er finde nicht, dass das Quartier 21 zu früh eröffnet worden ist,
sondern wollte sich mit dem Termin "selber unter Druck setzen" und
eine "Großeröffnung" zu einem Termin veranstalten, wo man auch im
Freien Programm bieten kann, meint Waldner.
Die Kulturmeile sei
"natürlich ein work in progress", bei dem "Feinjustierungen"
notwendig seien. Waldner sei bereit, gemeinsam mit den Nutzern
Adaptionen der Räume zu verwirklichen. Angesichts der noch nicht
gegebenen Durchgängigkeit müsse man sich die Alternative vor Augen
halten, nämlich "alles ist zu und nicht durchgängig". Insgesamt habe
es bisher im Quartier 21 150 Veranstaltungen mit über 20.000
Besuchern gegeben. "Dass nicht immer alle zufrieden sind, ist klar".
Monochrom-"Zweckoptimismus"
Die Stellung halten derzeit nur wenige, etwa die "Kulturkontakte",
das Kleidergeschäft "Polyklamott" und die Bundesländergalerie "A9
forum transeuropa" - alle freilich erst nachmittags. Von der täglich
zwischen 10 und 22 Uhr versprochenen "Schaufenster-Situation" entlang
zweier Themenstraßen ist keine Rede.
Monochrom-Vorsitzender und "Zweckoptimist" Johannes Grenzfurthner
zeigt sich im Gespräch "sowohl zufrieden als auch
unzufrieden". Da einiges, wie die versprochene Toilette und eine
Teeküche, nicht fertig ist, zahlt die Künstlergruppe - wie auch
andere Nutzer - auf Angebot der MQ-Betriebsgesellschaft nur die
Betriebskosten, aber noch keine Miete für die Räumlichkeiten. Derzeit
werde ein Diebstahlsschutz errichtet, da sonst "leicht über den Zaun
geklettert und etwas gestohlen werden" könnte, so Grenzfurthner.
Gut
funktioniere die "PR-Maschinerie" des MQs, angekündigte
Veranstaltungen würden gut besucht. "Als Veranstaltungsort ist es
perfekt". Probleme gebe es derzeit mit den Mietern der Wohnungen, die
sich schon kurz nach 20 Uhr bei der vergangenen
"monochrom"-Veranstaltung über die Lautstärke beschwert hatten,
obwohl bis 22 Uhr Veranstaltungslautstärke zugesichert wurde. "Aber
da müssen sich die Mieter daran gewöhnen und wir auf stur schalten.
Die Betriebsgesellschaft vermittelt da auch".
Schnell, aber schleißig
Andere Nutzer machen aus ihrem Zorn kein Hehl. "Der
Eröffnungstermin war ein Potemkinsches Dorf. De facto hätte man nicht
eröffnen dürfen", meint etwa Brigitte Groihofer, Galerieleiterin des
"A9 forum transeuropa". Um den fixierten Termin zu halten, wäre
offenbar schnell, aber schleißig gearbeitet worden. Vieles müsse nun
nachgeholt oder völlig neu gemacht werden - was das Quartier 21 nach
wie vor zur Baustelle mache. Es fehle auch an der längst
versprochenen Infrastruktur. Ohne Telefon- und Internetverbindung
(Waldner: "Wir sind nur für die Leerverrohrung verantwortlich.")
lasse sich eben kein Bürobetrieb aufbauen, und auch der für die erste
Ausstellung vorgesehene Online-Infoscreen habe nie installiert werden
können. "Von den Nutzern ist kaum wer vor Ort - wer hier war, ist
wieder ausgezogen."
Kein Medienquartier
Das Medienquartier21 nützt seine Räume derzeit gar nicht. Bis die
für einen Ausstellungsbetrieb notwendigen Arbeiten abgeschlossen
sind, hat man dem MQ den Schlüssel zurückgegeben, wie auch Waldner
bestätigt. "Ich fühle mich noch nicht als Mieter", so Elisabeth Haas
im Gespräch. Sie habe noch keinen Termin für den Einzug
erhalten, was "schon problematisch" sei. Sie zeigt sich "tendenziell
frustriert", habe aber "auch noch andere Projekte".
Strukturelles Problem
Zufrieden zeigt
sich hingegen Hermann Fankhauser von Wendy&Jim, die im Quartier 21
den Moderaum "Found for You" betreiben: "Alles, was wir brauchen, ist
vorhanden", so Fankhauser, der betonte, dass Wendy&Jim vor Ort nur
Veranstaltungen kuratierten. "Wir haben daher natürlich eine andere
Position als die übrigen Nutzer". Mit der auch internationalen
Resonanz sei man "sehr zufrieden". Bei den bisherigen Veranstaltungen
wurden einmal rund 150, bei einer Lesung rund 40 Besucher gezählt.
Ganze drei Besucher pro Tag seien hingegen bei "transeuropa"
nichts Ungewöhnliches, heißt es. Bei den Lokalaugenscheinen war die
benachbarte Erste Bank Arena für Veranstaltungen (oder deren
Vorbereitung) meist gesperrt. Hier wird ein strukturelles Problem
offenkundig: Nicht nur die Buchhandlung Prachner liegt außerhalb
ihrer Öffnungszeiten als Sperrriegel in der Mitte des Areals, auch
die mietbaren Veranstaltungsräume behindern den Kulturflaneur
entscheidend. "Nachdem diese als Cash-Cows gesehen werden, sind sie
derzeit fast täglich vermietet und in dieser Zeit für normale
Besucher geschlossen", schildert Groihofer, "dann sind wir zwischen
diesen Hallen eingezwängt und jemand, der uns nicht ganz gezielt
sucht, kommt gar nicht zu uns."
(APA)