Bis Sonntagfrüh wird der Irak seine "genaue und vollständige" Erklärung abgegeben haben, die ihm vor einem Monat in einer UN-Resolution abverlangt worden ist. Die Aufarbeitung dieser Akten durch die Unmovic (U.N. Monitoring, Verification and Inspection Commission) wird etwa zehn Tage dauern. Doch schon jetzt glaubt man jedoch zu wissen, womit man qualitativ zu rechnen hat: keine Offenlegung von atomaren, biologischen und chemischen Waffen oder Waffenprogrammen, sehr wohl aber die Auflistung von Aktivitäten, in die "dual use"-Material involviert ist, also Geräte oder Substanzen, die sowohl in der Zivil- als auch in der Rüstungsindustrie verwendet werden können.

Ginge es nach der US-Regierung, so würde der Irak "dual use"-Waren überhaupt nicht mehr bekommen; im Sicherheitsrat setzte sich Washington am Mittwoch mit der Forderung durch, dass die Listen mit den Gütern, die der Irak importieren darf, einmal mehr revidiert werden sollen. Die Wahrheit ist aber wohl, dass eine moderne Industriegesellschaft - und der Irak war immerhin schon einmal ein Schwellenland - auf diese Artikel gar nicht verzichten kann, man denke nur etwa an die irakische Petrochemie. Wobei man dann wieder einmal bei der in der ganzen Irak-Debatte tunlichst vermiedenen Frage wäre, ob eine von außen erzwungene Abrüstung eines Landes heute technisch überhaupt machbar ist.

An der für Samstag erwarteten Erklärung wird die Realität im Irak, der die Inspektoren auf der Spur sind, jedenfalls gemessen werden. Dass man sie indes schilt, weil sie nach einer guten Woche "noch nichts gefunden" haben, ist lächerlich. Das ganze Unternehmen läuft in Wahrheit etwas anders, als es medial dargestellt wird - aber die Nachricht, dass die Inspektoren unter das Bett Saddam Husseins in einem seiner Paläste schauen, ist eben leichter zu verkaufen als die, dass sie über Akten brüten. (DER STANDARD, Printausgabe, 6.12.2002)