Mexiko-Stadt - US-Forscher haben im Südosten Mexikos die bisher älteste bekannte Schrift der Neuen Welt entdeckt. Sie gruben in Ruinen in San Andres im Bundesstaat Tabasco einen mit Symbolen verzierten Zylindersiegel und eine Grünsteinplatte aus. Die auf etwa 650 vor Christus datierten Funde werden im am Freitag erscheinenden Fachblatt Science präsentiert.Zu sehen ist etwa ein Vogel, aus dessen Schnabel Symbole hervorquellen. Die Forscher sehen darin Schriftzeichen, ähnlich den späteren Zeichen der Maya. Es könne sich um einen Königsnamen handeln, der - wie in alten Kulturen Mexikos und Mesoamerikas üblich - einem Kalendertag entspreche. Dies lege den Schluss nahe, dass die "La Venta"-Kultur bereits zu jener Zeit den später in ganz Mittelamerika verbreiteten rituellen 260-Tage-Kalender kannte. San Andres liegt nahe La Venta, einem Zentrum präklassischer Olmekenkultur, die sich 1500 vor Christus an der Golfküste entwickelte und als älteste Hochkultur Mesoamerikas gilt. Die entdeckten Symbole sind rund 350 Jahre älter als Funde aus der Zapoteken-Kultur im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca. Diese galten bisher als älteste Schriftzeichen Amerikas. In der Alten Welt hatte sich die Schrift in Ägypten und Mesopotamien bereits mehr als zweitausend Jahre zuvor entwickelt. Den Anthropologen zufolge war die nun entdeckte Olmeken-Schrift Grundlage für das Schriftsystem der Maya-Kultur, rund zweihundert bis heunhundert nach Christus. (dpa/DER STANDARD, Printausgabe, 6.12.2002)