London- Trotz heftiger Kontroversen, Boykotts und drohender Zahlungsschwierigkeiten ist am Samstag in London die Miss-World-Wahl über die Bühne gegangen. Unter den 92 Teilnehmerinnen des von vielen Medien als "anachronistisch" (The Guardian) empfundenen Schönheitswettbewerbs wurde die Türkin Azra Akin zur Miss World 2002 gekrönt. Die umstrittene Veranstaltung war nach schweren Ausschreitungen vom ursprünglichen Austragungsort Nigeria nach London verlegt worden. Die Unruhen wurden allerdings nur am Rande erwähnt. Demonstrationen von Feministinnen oder moslemischen Gegnern der Schönheitswahl blieben in London aus. Die amtierende Miss Austria, Celine Roschek, nahm nicht an der Wahl teil.
Der zweite und dritte Platz wurde bei der aufwendigen Glitzer-Veranstaltung im viktorianischen Alexandra Palace in Nord-London von Miss Kolumbien und Miss Peru belegt. Deutschland war durch die 24 Jahre alte Indira Selmic vertreten. Selmic ist Miss Bayern und war im Jänner 2002 bei der Miss-Germany-Wahl auf den dritten Platz gekommen.
"Ich hoffe, ich kann etwas bewirken"
Nach ihrer Wahl bekam Azra Akin die Krone und den mit 100.000 Pfund dotierten Preis von ihrer Vorgängerin, Agbani Darego aus Nigeria, überreicht. "Ich fühle mich sehr geehrt", sagte die Gewinnerin, die am Sonntag ihren 21. Geburtstag feiert. "Ich hoffe, ich kann etwas bewirken." Miss Türkei wuchs in den Niederlanden auf und zählt zu ihren Hobbys Ballett und Bauchtanz. In die Runde der zehn Schönsten schafften es auch die Bewerberinnen aus Australien, China, Nigeria, Norwegen, den Philippinen, den USA und Venezuela.
Zehn Mitbewerberinnen, darunter auch die Miss Austria, hatten die Londoner Wahl boykottiert. Der Wettbewerb wurde von keiner einzigen britischen Fernsehstation übertragen. Buchmacher weigerten sich, Wetten anzunehmen. "Das ist in den letzten Jahren völlig unbeliebt geworden", sagte Graham Sharpe vom Wettbüro William Hill. Weltweit wurde die Wahl jedoch in 142 Länder übertragen. Die Zahl der TV-Zuschauer wird auf zwei Milliarden Menschen geschätzt.
Die britischen Medien hatten die Verlegung nach London scharf kritisiert. Londons Bürgermeister Ken Livingstone verurteilte die Entscheidung, den "fehlplatzierten" Wettbewerb in der britischen Metropole abzuhalten, nachdem er "Unglück und Tragödie" nach Afrika gebracht habe. Der "Guardian" zeigte Unverständnis dafür, dass ausgerechnet Großbritannien als Gastgeber des "anachronistischen" Wettbewerbs fungierte.
Miss-World-Organisatorin Julia Morley (63) verteidigte sich jedoch gegen Vorwürfe, sie sei für die von dem Wettbewerb ausgelösten Spannungen zwischen Moslems und Christen in Nigeria verantwortlich. "Ich fühle mich in keiner Weise schuldig." Sie ist die Witwe des Briten Eric Morley, der den Miss-World-Wettbewerb 1951 gegründet hatte.
Morley hat inzwischen eingeräumt, dass sie die Verlegung aus Nigeria vor zwei Wochen ein "Vermögen" gekostet hat. Die Londoner Veranstaltung soll nach Medienberichten fast eine Million Pfund (1,57 Mill. Euro) gekostet haben. Zusätzliche Finanzschwierigkeiten wurden Morleys Unternehmen Miss World Holdings noch in letzter Minute von einer früheren nigeranischen Mitveranstalterin verursacht. Die Gläubigerin erwirkte beim High Court in London am Freitag per einstweiliger Verfügung eine Sperrung der Konten von Miss World Holdings, weil ihr angeblich mehr als 500.000 Pfund nicht ausgezahlt wurden. Morley hat damit weder Zugriff auf die Konten, noch kann sie über Einnahmen aus Werbeverträgen oder Kartenverkäufen verfügen. (APA/dpa/AP)