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Manche Künstler muss man nicht entdecken, die finden ihr Publikum auch so, selbst wenn es sich um Schriftsteller handelt und das Feuilleton immer wieder über eine allgemeine Leseschwäche oder gar -faulheit lamentiert. So durchfuhr den Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung , Frank Schirrmacher, im Herbst des Vorjahres ein heiliger Schrecken: "Über Wochen, ja Monate verzeichnete die Internetseite von amazon.de unter den bestverkauften Büchern den Roman eines Deutschen, dessen Name mir nichts sagte und dessen Buch ich nicht gelesen hatte, obwohl es schon vor zwei Jahren als Hardcover erschienen war." Tatsächlich: Der inzwischen 42-jährige Autor Andreas Eschbach hat mit Sciencefiction-Romanen wie Die Haarteppichknüpfer , Eine Billion Dollar oder dem von Schirrmacher damals noch nicht gelesenen Das Jesus Video knapp eine Million Exemplare verkauft. Tendenz: stark steigend - spätestens seit der zweiteiligen TV-Adaption von Das Jesus Video , die dieser Tage auf Pro7 Quote machte (rund sechs Millionen Zuschauer allein für Teil 1), ab 7. Dezember als DVD im Fachhandel erhältlich ist und damit wahrscheinlich auch den vorweihnachtlichen Absatz von Eschbachs Büchern fördert. Wer also ist der "Unbekannte", der in Zeitungen immer noch kaum vorkommt? Rezensenten, die diesen Fehler wieder gutmachen wollen, fördern eine eigentümliche Existenz zutage: einen ehemaligen Studenten der Luft-und Raumfahrttechnik und Softwareentwickler, der sich den großen Traum verwirklichte - Wissenschaftsthriller zu schreiben wie US-Star Michael Crichton ( Jurassic Park , Beute - Prey ), die irgendwann einmal Kapazunder wie Steven Spielberg verfilmen. Das Jesus Video knüpft denn auch an Indiana-Jones-Traditionen an: Archäologen finden in Israel neben einem 2000 Jahre alten Skelett eine Videokamera, die eigentlich erst in ein paar Jahren auf den Markt kommen soll ... Eschbach, der ein Hochbegabtenstipendium der hochgelehrten Arno-Schmidt-Stiftung erhalten hat und gleichzeitig Heinz Konsalik als Vorbild nennt (was durchaus zu Schmidts Faible für Schundliteratur passt) - gelingt dabei ein undeutscher Spagat: technische Spekulation zu kurzweiliger Lektüre werden zu lassen. Mittlerweile schrieb er auch für die Frankfurter Sonntagszeitung einen Fortsetzungsroman: Exponentialdrift wird 2003 in Buchform bei Bastei-Lübbe erscheinen, ein weiterer Roman ist in Vorbereitung. Und bei all dem gilt für den auf den ersten Blick eher uncharismatischen "Stubenhocker", der mit seiner Frau und einem Sohn aus erster Ehe in der Industrieperipherie von Stuttgart wohnt: "Wenn's einem langweilig ist, schreibt es sich am besten. Ich strebe nach einem ereignisarmen Leben." (DER STANDARD, Printausgabe, 7./8.12.2002)