Tumoren der Brustdrüse und des Dickdarms zählen seit langem zu den häufigsten Krebsarten in Europa, so auch in Österreich. In der Vorsorge ist zu beachten, dass es sich bei bis zu zehn Prozent all dieser Erkrankungen um so genannte familiäre Fälle handelt, also vererbbare Krebserkrankungen, die sich dadurch auszeichnen, dass in jeder vorherigen Generation mindestens ein Betroffener zu finden ist.Tiroler Wissenschafter unter der Leitung von Hans-Jürgen Menzel vom Institut für Medizinische Biologie und Humangenetik an der Universität Innsbruck fanden nun jedoch heraus, dass auch bei den so genannten sporadischen Fällen mit genetischen Krankheitsursachen zu rechnen ist, die immerhin bis zu 40 Prozent des Risikos ausmachen können, Brust- beziehungsweise Dickdarmkrebs zu bekommen. Für die Entstehung eines Karzinoms spielen dabei "mehrere genetische Faktoren und Umwelteinflüsse gleichzeitig eine Rolle", erklärt Menzel. Seine Forschungsergebnisse könnten zu besseren und gezielteren Vorsorgemaßnahmen führen. Aufgabe der vom Wissenschaftsministerium beauftragten Studie war es, Mutationen in Genen zu finden, die einen Zusammenhang mit Brust- und Dickdarmkrebs belegen. Dazu wurden Gene ausgesucht, die etwas mit der Krebsentstehung zu tun haben können und die einen "Polymorphismus" zeigen, der die Funktion des betreffenden Gens beeinflusst - diese Polymorphismen sind durch Mutationen entstandene kleine Veränderungen der DNA-Sequenzen, quasi Defekte in der Erbsubstanz. Die Häufigkeiten dieser Mutationen wurden in einer Gruppe von Patientinnen und Patienten sowie in einer Kontrollgruppe bestimmt und verglichen. Menzel und sein Team konnten so bei einem deutlichen Unterschied der Häufigkeiten von einem sicheren Zusammenhang zwischen der Mutation und einem höheren Risiko für eine Krebserkrankung ausgehen. Brustkrebspatientinnen zeigten etwa häufiger Abweichungen in einem Genabschnitt für das Protein NQO1 als gesunde Frauen. Von dieser Abweichung betroffene Frauen haben der Studie zufolge ein dreifach höheres Brustkrebsrisiko - vielleicht deshalb, weil dieses Eiweiß durch die Mutation krebserregende Stoffe etwa aus dem Tabakrauch nicht mehr entgiften kann. Diese Mutation liege laut Menzel "bei zwölf Prozent der normalen Bevölkerung" vor. Bei Patienten mit Dickdarmkrebs fanden die Forscher eine häufige Mutation auf dem GNB3-Gen, die ein fünffach erhöhtes Risiko darstellt, an dieser Krebsform zu erkranken und die bei immerhin 40 Prozent der normalen Bevölkerung vorkommt. Dieses Gen codiert für ein Protein (Eiweiß), das für die Zellsteuerung mitverantwortlich ist und eventuell bei Entzündungen eine Rolle spielt. "Diese beiden Beispiele zeigen", betont Uniprofessor Menzel, "wie wichtig die Forschung auf diesem Gebiet ist, um im Laufe der Zeit mehr Informationen zu erhalten, die Auskunft über das Risiko jedes Einzelnen geben, Brust- beziehungsweise Dickdarmkrebs zu bekommen." Gleichzeitig ließe sich dieser Forschungsansatz auch auf andere Krebsarten und andere Erkrankungen ausdehnen, um mehr über des Menschen allgemeines Krankheitsrisiko zu erfahren. (Andreas Feiertag/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7./8 .12. 2002)