Wien - Die Dokumente, die die irakische Regierung am Samstag der UNO übergeben hat, verschaffen Saddam Hussein Zeit, sagt Tawfik Alyassiri, Sprecher des "Irakischen Militärrats", dem STANDARD. Auch wenn der irakische Diktator nicht viel mit dieser Zeit anfangen könne: Sie sei wie ein Medikament für einen Krebspatienten, der weiß, dass er doch sterben muss, eben ein Aufschub, meint der 1991 aus dem Irak geflüchtete Brigadegeneral, der, selbst Schiite, sich nach dem Golfkrieg auf die Seite der Aufständischen geschlagen hatte und schwer verwundet wurde.

An einem Wechsel im Irak will der "Militärrat", der erst im Sommer auf der großen Oppositionskonferenz in London gegründet wurde, aktiv mitwirken, indem er für die irakische Opposition einen militärischen Arm aufbaut. Die Gruppe, die auf ihre finanzielle Unabhängigkeit pocht, aber Kontakte zu den USA hat, vereint 318 irakische Offiziere "außerhalb des Irak", wie Alyassiri betont, der angibt, Kontaktleute sogar in den Republikanischen Garden nahe an Saddam zu haben.

Die Aufgabe des Militärrats sieht Alyassiri darin, irakische Militärs in und außerhalb des Irak auf die verschiedenen möglichen Szenarien vorzubereiten und, wenn es so weit ist, für die Koordination und Verbindung zu sorgen - wobei besonders wichtig und kritisch sein wird zu verhindern, dass die reguläre Armee nicht etwa deshalb das Regime verteidigt, weil sie von kurdischen und/oder schiitischen Aufständischen angegriffen wird. Alyassiri schätzt das Potenzial von Anti-Saddam-Milizen im Irak auf zirka 100.000.

Irakische Soldaten werden gegen die USA kämpfen, ist er überzeugt, aber "die Moral nimmt ab, je weiter weg" die Soldaten von Saddam sind; auch die verschiedenen Privatmilizen werden sich für das Regime unterschiedlich intensiv einsetzen. Die reguläre Armee lässt Saddam ja nicht einmal nach Bagdad, weil er ihr nicht traut.

Alyassiri bestätigt auch Informationen, wonach die iranische Oppositionsgruppe Mudjahedin Khalq, die über etwa 25.000 Bewaffnete verfügt und vom Irak aus das Mullah-Regime in Teheran bekämpft, militärisch in die Verteidigung Bagdads eingebunden ist - was sich nicht zu den 150 amerikanischen Abgeordneten herumgesprochen haben dürfte, die erst Ende November wieder eine Petition zugunsten der Streichung der Mudjahedin von der US-Terrorliste einbrachten.

Tawfiq Alyassiri ist sich sicher, dass der Irak über chemische und biologische Waffen verfügt, meint aber, dass es nicht zu einem Einsatz, den nur Saddam befehlen könne, kommen werde - die USA würden im Fall eines Angriffs sofort alle Kommunikationslinien zwischen dem Präsidenten und den Truppen abschneiden.

Für die Zeit danach stellt sich der "Irakische Militärrat", in dem es auch kurdische Offiziere gibt, ein föderales System vor, das hat er in seinen Statuten festgeschrieben. Es gebe auch Übereinstimmung, dass nur der engere Kreis von zwölf bis 29 Personen rund um Saddam automatisch verfolgt werden sollte, bei allen anderen belasteten Irakern - der Sicherheitsapparat etwa verfügt allein über eine Million Menschen - seien Vorwürfe gerichtlich zu klären. Darüber, dass im Irak das Vertrauen zur Opposition im Ausland besonders groß sei, gibt sich Alyassiri keinen Illusionen hin, aber man werde es aufbauen. Denn dass die Iraker das Regime loswerden wollen, darüber gibt es für ihn keinen Zweifel. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 9.12.2002)