Dass Angelika Beer nach dem September noch eine bundespolitische Rolle spielen wird, damit hat wohl niemand gerechnet. Sie selbst sei "auch völlig überrascht", meinte die 45-Jährige nach ihrer Kür zur Kovorsitzenden der deutschen Grünen. In Zukunft kommt ihr eine Schlüsselrolle in der rot-grünen Regierung zu. Da ihr gleichberechtigter Partner in der Doppelspitze, Reinhard Bütikofer, als Bundesgeschäftsführer farb- und profillos geblieben ist, wird vor allem Beer im Rampenlicht stehen.

Im Frühjahr hatte ihr der eigene Landesverband in Schleswig-Holstein nach acht Jahren im Parlament einen Listenplatz für den Wiedereinzug nach der Wahl im September verweigert, was als bundespolitisches Aus für die profilierte Wehrexpertin gewertet wurde. Der traditionell eher linke Landesverband strafte die ehemalige Bundeswehrgegnerin dafür ab, dass sie sich immer unbefangener für Militäreinsätze in aller Welt aussprach.

Beer selbst vermutete, dass ihr Privatleben, das im Frühjahr in die Schlagzeilen geraten war, mit ein Grund für die Abreibung ihrer Parteifreunde war. Die Ehefrau ihres Lebensgefährten, des Bundeswehrleutnants Peter Matthiesen, hatte sich via Bild-Zeitung und Bunte darüber empört, wie eine "anständige Person" sich einen verheirateten Mann mit sieben Kindern "greifen" könne. Beer, geschiedene Mutter eines 27-jährigen Sohnes, hatte in Interviews enthüllt, dass die Liebe zu dem damaligen deutschen Militärattaché in Mazedonien sie "wie ein Blitz" getroffen habe.

Bis dahin hatte Beer als eher spröde gegolten. Die frühere Arzthelferin und Rechtsanwaltsgehilfin hatte sich durch profunde Sachkenntnis bei Bundeswehrsoldaten und auch beim früheren Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) einen guten Ruf erarbeitet.

Den Wandel der früher zum ultralinken Flügel der Grünen gehörenden Beer nehmen ihr viele ehemalige Mitstreiter übel. Vor allem während der Debatte über einen Einsatz der Bundeswehr am Balkan war sie heftigen innerparteilichen Angriffen ausgesetzt. Beer war die einzige Bundestagsabgeordnete, die von drei Leibwächtern geschützt wurde. Als sie die letzten Meter zu ihrer Wohnung in Berlin alleine zurücklegte, wurde sie im Sommer 2000 Opfer eines Messerattentats. Wer hinter diesem mysteriösen Angriff steckte, wurde nie geklärt.

Da Beer bisher innerparteilich polarisierte, wird ihr die für ihr neues Amt notwendige Integrationsfähigkeit abgesprochen. "Wir werden uns zusammenraufen", sagte sie nach ihrer Bestellung. Dies kann auch als Kampfansage an den "heimlichen" Grünen-Chef Joschka Fischer gewertet werden, mit dem die Verteidigungsexpertin schon öfter einen Strauß ausgefochten hat. (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD, Printausgabe, 9.12.2002)