Irak
"Ein Strick für den Erhängten" sei der irakische Rüstungsbericht
"Hinhalte- und Bluff-Taktik wird scheitern"
London/Oslo/Rom/Moskau - Der vom Irak übergebene
12.000-Seiten-Bericht über seine Rüstungsprogramme wird am Montag von
der internationalen Presse kommentiert."The Times":
"Auf kurze Sicht könnten die Inspektionen und die abgelieferten
Dokumente einige antiamerikanische Hauptstädte überzeugen und
schüchterne Europäer mit Beweisen versorgen, dass Bagdad die
UN-Resolution einhält. Aber selbst die Araber bleiben skeptisch.
Iraks tollpatschiger Versuch einer Entschuldigung bei Kuwait ist
zurückgewiesen. Kuwait fragt, warum dies nicht in den vergangenen
Jahren geschah, warum die Entschuldigung an einen klaren Versuch
gebunden ist, eine Militäraktion abzuwenden und warum der Irak immer
noch nicht die Information gegeben hat, die Kuwait so sehr verlangt:
Informationen über seine vermissten Kriegsgefangenen. Auf lange Sicht
wird die Hinhalte- und Bluff-Taktik scheitern. Die Weigerung des
Irak, dem Geist der Vereinten nationen zu entsprechen, wird immer
deutlicher werden. Es wird nicht schwer sein, den Sicherheitsrat
davon zu überzeugen, dass Bagdad immer noch nicht kooperieren will
bei dem, was alle Mitglieder wollen: der schnellen Beseitigung aller
Massenvernichtungswaffen. Und es wird nicht schwer sein, Amerika
davon zu überzeugen, dass nur ein Weg bleibt, um dies zu erreichen:
eine Militärintervention."
"Aftenposten":
"Noch ist es für Schlussfolgerungen zu früh, ob der Irak wieder
einmal schwindelt. Wir wissen nicht, was die Erklärungen enthalten,
abgesehen davon, dass in dem Material sowohl Aktivitäten wie Stoffe
benannt sind, die in Richtung auf Waffenentwicklung hindeuten können.
Chemische Stoffe (...) benützt man in bestimmten Zusammensetzungen
auch zur Produktion von Medizin oder Industriechemikalien. (...) Die
Frage von Krieg und Frieden ist zu wichtig, als dass die USA (...)
mit ihrer Ungeduld Schlussfolgerungen zu dem Material zu früh
durchsetzen sollten. Etwaige Massenvernichtungswaffen im Irak sind
ein Problem für die gesamte Weltgemeinschaft, nicht nur für die USA.
Deshalb müssen sie auch in Übereinstimmung mit Ersterer behandelt
werden. Die meisten Länder (...) sind der Meinung, dass die
Entfernung von Saddam Husseins Regime kein ausreichender Grund für
einen Krieg ist. Daran sollte man festhalten."
"Tages-Anzeiger":
"Was auch immer in dem 12.000 Seiten starken irakischen
Waffenbericht steht, sein Inhalt wird überschattet von Saddam
Husseins lakonischem Begleitkommentar: 'Nichts zu deklarieren.' Keine
Biowaffen, keine chemischen Kampfstoffe und auch kein Atomprogramm.
Mit diesem 'Bekenntnis' steuert der Diktator auf eine direkte
Konfrontation mit der US-Regierung zu, die bald zum Krieg führen
kann. Die Führung des Inspektionsteams hat bisher eine schlechte
Figur gemacht. Sie überhäuft die Iraker unnötig mit Lob für ihre
'tadellose' Kooperation, als ob ihre einzige Aufgabe darin bestünde,
ja keinen Anlass für einen Krieg zu liefern. Während Saddam in der
arabischen Welt den Märtyrerstatus genießt, mokieren sich die
Europäer zunehmend über die 'kriegslüsternen' Amerikaner. Manch einer
scheint leichtfertig zu vergessen, dass es Saddams aggressive
Machtgier war, welche die Inspektionen erst nötig machte. In der
verfahrenen Situation ist von allen schlechten Optionen ein Krieg nur
die zweitschlimmste. Die schlimmste ist ein Persilschein für den
Diktator - ausgestellt von einem UNO-Chefinspektor, der nicht gewillt
ist, konsequent jeden Stein umzudrehen."
"La Repubblica":
"Denken wir uns diese Seiten wie einen Strick für den Erhängten.
Wie ein 12.000 Seiten und 58 Kilo langes Seil, an dessen Ende schon
die Schlaufe hängt, um Saddam Hussein an dem Krieg von George Bush
aufzuhängen. Seit 48 Stunden hat der Strick begonnen, sich zu
strecken, von Bagdad zur UN-Basis in Larnaka (Zypern), dann von
Larnaka nach Wien für die technische Überprüfung durch die
internationale Atomenergiebehörde, dann von Wien nach New York, weil
die Vereinten Nationen der offizielle Empfänger sind und das Recht
haben, den Bericht zuerst zu lesen. Und schließlich von der UNO nach
Washington, um auf dem Tisch des Richters zu landen, der das Urteil
bereits in der Tasche und die Truppen bereits aufgestellt hat, um es
zu vollstrecken: George Bush. Wenn der irakische Machthaber eine
derartige Fülle an Papieren und CD-roms, die übersetzt werden müssen,
vorgelegt hat, dann nur, weil er die Hinrichtung hinauszögern will."
"Nesawissimaja Gaseta":
"Die Iraker haben, wie ein US-Experte sich ausdrückte, den Ball
effektvoll den Amerikanern zugespielt. Jetzt müssen der Geheimdienst
CIA und andere amerikanische Strukturen konkrete Beweise vorlegen, um
den Irak überzeugend der Lüge zu überführen. Die Aufklärer und
Spezialisten für Massenvernichtungswaffen stehen vor großen
Problemen. Allein die Übersetzung des vom Irak gelieferten Materials
wird mindestens zwei Monate dauern. Und erst danach kann das Dokument
im Zusammenhang studiert werden. Wahrscheinlich werden die Amerikaner
sich aus dem Bericht das heraussuchen, was sie interessiert, und
prüfen, ob es mit dem zusammenpasst, was sie schon wissen. Also die
Teile, mit denen Saddam am leichtesten zu fassen ist..." (APA/dpa)