Suchtgiftsituation stabil, aber Wandel in der Politik
Wiens Drogenkoordinator warnt vor Repression - Jugendliche weichen auf gefährlichere Substanzen aus
Redaktion
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Wien - Laut dem neuen Österreich-Drogenbericht des
Österreichischen Bundesinstituts für das Gesundheitswesen (ÖBIG) ist
die Suchtgiftsituation stabil. Doch die Zahl der Anzeigen und
Verurteilungen steigt. Für den Wiener Drogenkoordinator Peter Hacker
ist das ein Indiz dafür, dass es in Österreich einen Wandel in der
Drogenpolitik gibt. "Die Repression steigt unverhältnismäßig stark
an. Der Bericht sagt, dass die Situation stabil ist. Auf der anderen
Seite machen die Verurteilungen nach dem Suchtmittelgesetz bereits
zehn Prozent aller Verurteilungen aus. Das ist absurd", erklärte
Hacker gegenüber der APA.
Ein Positivum ist laut dem Wiener Drogenkoordinator der Umstand,
dass die Angehörigen der "klassischen Drogenszene" im Durchschnitt
älter werden: "Sie werden älter, sie sterben nicht. Es gibt auch
weniger Junge, die nachwachsen. Eindeutig zeigt sich damit, dass das
'Junkie-Leben' ziemlich out ist. Das ist ein Trend, den wir in Wien
seit längerer Zeit sehen." Bessere Betreuung und
Substitutionstherapie seien wahrscheinlich dafür verantwortlich.
Zurück gedrängt: "Therapie statt Strafe"
Doch sonst hatte Hacker im Gespräch heftige Kritik zu äußern. Was
ihn stört: Der Anstieg von Anzeigen und Verurteilungen bei offenbar
gleich bleibender Drogensituation. "Die Anzeigen sind das Abbild der
Intensität der Repression. Die Repression steigt unverhältnismäßig
an. (...) Der bisher geltende österreichische Grundsatz von 'Therapie
statt Strafe' wurde im Berichtsjahr (2001, Anm.) zurück gedrängt.
Anzeigen und Verurteilungen finden vor allem bei kleineren Delikten
statt." Es gebe Hinweise dafür, dass dies vor allem in den
Bundesländern der Fall sei.
Für den Wiener Drogenkoordinator ist es mehr als bedenklich, dass
bereits zehn Prozent aller Verurteilungen vor Gericht in Österreich
nach dem Suchtmittelgesetz erfolgen (1991: zwei Prozent, 2000: 7,8
Prozent). Hacker: "Das ist ein neuer Höchststand und passt mit der
Entwicklung nicht zusammen. Dazu werden immer mehr Angeklagte zu
Freiheitsstrafen verurteilt. Es sind bereits sechzig Prozent (der Anteil
der bedingten Freiheitsstrafen ging vom Jahr 2000 von fünfzig Prozent auf
45 Prozent im Jahr 2001 zurück, Anm.). (...) Das ist auch das
Ergebnis der Regierungspolitik."
Hacker: "Im Endeffekt bedeutet diese Entwicklung auch, dass der
gesamte Anzeigen-Anstieg (nach Suchtgift- bzw. Suchtmittelgesetz,
Anm.) bei den kleineren Delikten stattgefunden hat." Das sei
kontraproduktiv.
Keine Unterwerfung
Eine mögliche Konsequenz dieser Daten ist laut dem Wiener
Drogenkoordinator der Gebrauch womöglich noch giftigerer Substanzen,
biogener Drogen und von Schnüffelstoffen wie Lösungsmittel oder Gase:
"Die Jugendlichen bemerken die Repression. Die spielt sich ab. Da
gibt es Erfahrungen. Bevor sie sich der unterwerfen, quetschen sie
eben Tollkirschen aus oder nehmen Fliegenpilze - und fühlen sich als
'Hexenmeister des Mittelalters'. Das ist eine dramatische
Entwicklung. Da gibt es keine 'Schnelltests'." Sowohl Lösungsmittel
als auch biogene Drogen seien hoch gefährlich.
Hacker: "Gerade an diesen Mitteln zeigen sich die Grenzen der
Legistik. Wir werden Tollkirschen, Nachtschattengewächse und
Fliegenpilze nicht verbieten können. Die wachsen in der Natur. Auch
Feuerzeuge können wir nicht verbieten. Die Repression treibt die
Jugendlichen zu anderen Substanzen. Sie weichen in Bereiche aus, wo
die Polizei völlig auf der Seife steht."
Übrig bleiben die potenziell katastrophalen Gesundheitsgefahren.
Prävention und Hilfe seien laut dem Wiener Drogenkoordinator die
wichtigsten Maßnahmen, um Jugendliche vor Schaden zu bewahren: "Das
Faktum nämlich, dass für Erwachsene etwas ungesund ist, ist
Jugendlichen 'Blunzen'. In der Adoleszenz und Pubertät geht es nicht
um Gesundheit." (APA)
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