Asien & Pazifik
Peking sieht Kriegsgefahren in Taiwan
Chinesischer Staatsrat legt "Weißbuch der Verteidigung" vor
Peking - Trotz der eigenen Drohung mit militärischer
Gewalt hat die Volksrepublik China den Unabhängigkeitskräften auf der
Insel Taiwan vorgeworfen, die "größte Bedrohung für Frieden und
Stabilität" in der Region zu sein. In einem 92-Seiten-"Weißbuch zur
Verteidigung", das der chinesische Staatsrat am Montag in Peking
veröffentlichte, bekräftigte die kommunistische Führung zugleich,
dass es auf den Einsatz von Gewalt im Falle einer formellen
Eigenstaatlichkeitserklärung der Taiwanesen nicht verzichten werde. Trotz wachsenden Austausches zwischen beiden Seiten sei die
"Wurzel der Spannungen" nicht beseitigt. Die (von 28 Staaten
anerkannte) Regierung von Präsident Chen Shui-bian weigere sich nicht
nur, den Ein-China-Grundsatz anzuerkennen, sondern halte auch
"hartnäckig an der Unabhängigkeit für Taiwan fest". Er sei sogar so
weit gegangen, von "einem Land auf jeder Seite" zu sprechen, heißt es
in dem Weißbuch.
1949, nach dem Sieg der Kommunisten im Bürgerkrieg, hatte sich
die nationalchinesische Regierung auf die Insel zurückgezogen. Bis
1971 hatte Taiwan als "Republik China" auch den chinesischen UNO-Sitz
inne. Präsident Chen hatte in einer TV-Ansprache an
Auslands-Taiwanesen in Japan gesagt: "Festland-China und Taiwan sind
jeder auf seiner Seite der Taiwan-Meeresenge". Nur die 23 Millionen
Taiwanesen könnten in einem Referendum über die Zukunft Taiwans
entscheiden.
Die Volksrepublik hatte der Insel nach dem Prinzip "Ein Land -
Zwei Systeme" ein noch großzügigeres Wiedervereinigungsmodell
angeboten, als es für Hongkong und Macao angewandt worden ist. Der
Vorschlag Pekings sah insbesondere vor, dass die Insel ihre eigenen
Streitkräfte behalten könnte, ebenso die eigene Regierung, Währung
und Zollsystem. Das Angebot wurde von der taiwanesischen Führung mit
der Begründung zurückgewiesen: "Das sind Rechte, die wir schon alle
haben. Dafür brauchen wir nicht die Kommunisten".
Die Volksrepublik verfolgt nach Einschätzung des
US-Verteidigungsministeriums eine gezielte Politik der
Einschüchterung, um Taiwan zur Wiedervereinigung mit dem Festland zu
bringen. Ein Pentagon-Bericht, der dem US-Kongress unterbreitet
wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass Peking wachsenden Druck auf die
Insel ausübe, um sie in die Knie zu zwingen, statt einen offenen
militärischen Schlagabtausch zu suchen. Mit dem "Taiwan Relations
Act" von 1979 hatten sich die USA zum Beistand für den Fall eines
kommunistischen Angriffs auf die Insel verpflichtet. 1996 hatten die
USA Flugzeugträger entsandt, als Peking in der Taiwan-Straße Raketen
abgefeuert hatte.
Ohne die USA oder andere beim Namen zu nennen, wirft das
China-Weißbuch "einer Hand voll Länder" vor, sich durch
Waffenverkäufe und eine Aufwertung ihrer Beziehungen zu den
taiwanesischen Behörden "in die inneren Angelegenheiten Chinas
einzumischen, die Arroganz der separatistischen Kräfte aufzublasen
und die friedliche Wiedervereinigung Chinas zu untergraben". Das
Weißbuch unterstreicht zudem, dass China wegen seiner eigenen
Entwicklung ein friedliches internationales Umfeld suche. Die großen
Ländern kooperierten heute zwar mehr und suchten mehr Unterstützung
voneinander, stünden aber weiter im Wettbewerb zueinander. Es gebe
neue Formen von "Hegemonismus und Machtpolitik". Damit beschreibt
Peking meist die Politik der USA. Seit den Terroranschlägen am 11.
September 2001 in den USA sei die Zusammenarbeit aber verstärkt
worden. Terrorismus, grenzüberschreitende Verbrechen,
Umweltzerstörung, Drogenschmuggel und andere nicht-traditionelle
Bedrohungen der Sicherheit träten deutlich hervor.
Das Weißbuch verteidigt die überdurchschnittlich wachsenden
Militärausgaben Chinas damit, dass der Anteil des Verteidigungsetats
an den gesamten Staatsausgaben rückläufig sei. Er betrage nur 1,5
Prozent des Bruttosozialprodukts. Allerdings verweisen Experten immer
wieder darauf, dass der offizielle chinesische Militäretat nicht
aussagekräftig sei, da viele Ausgaben für die 2,5 Millionen Soldaten
in anderen Haushalten versteckt seien.(APA/dpa)