Venezolanische Regierung will über Zeitplan für Neuwahlen verhandeln
Wiederherstellung der Ruhe im Land als Bedingung - Opposition fordert Wahlen spätestens im März 2003
Redaktion
,
Caracas - Angesichts der anhaltenden Proteste gegen
Präsident Hugo Chavez hat die venezolanische Regierung erstmals ihre
Bereitschaft zum Einlenken signalisiert. Die Führung in Caracas habe
sich zu Verhandlungen über einen Zeitplan für Neuwahlen bereit
erklärt, sagte der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer
Staaten (OAS), Cesar Gaviria, am Montag (Ortszeit). Innenminister
Diosdado Cabello schloss dagegen aus, dass Chavez sein Amt vorzeitig
aufgeben könnte. In Caracas gingen erneut Gegner und Anhänger des
Präsidenten auf die Straße. Der Chef des Erdölriesen PDVSA warnte vor
den katastrophalen wirtschaftlichen Folgen des andauernden
Generalstreiks.
Noch sei unklar, ob die venezolanische Regierung Gespräche über
eine Vorverlegung der Wahlen in das erste Quartal 2003 akzeptieren
werde, sagte OAS-Chef Gaviria. Mit dieser Forderung hatte die
Opposition, die von den Gewerkschaften, Arbeitgebern und Teilen der
Armee unterstützt wird, vor mehr als einer Woche erfolgreich zu einem
landesweiten Generalstreik aufgerufen. Für Chavez kam die
Volksabstimmung bisher nicht vor August 2003 in Frage.
"Wir wollen keinen Krieg"
Nach Angaben von Gaviria, der in dem Konflikt eine Mittlerrolle
übernommen hat, kam es in der Nacht zu Dienstag in der Hauptstadt
erneut zu gewälttätigen Protesten von Gegnern und Befürwortern von
Chavez. Oppositionsanhänger feuerten Schüsse auf das Gebäude eines
Staatssenders ab. Anhänger des Präsidenten versammelten sich derweil
vor den Büros von Chavez-kritischen Privatsendern.
Innenminister Cabello unterstrich den Machtanspruch von Chavez.
Diejenigen irrten, die glaubten, dass der Präsident bereits verloren
habe. Die Regierung werde alle "legalen Schritte" unternehmen, um den
Staatschef zu verteidigen. "Wir wollen keinen Krieg, wir wollen keine
Toten. Wir favorisieren den Weg des Dialogs", bekräftigte der
Minister. Doch dürfe nicht eine Minderheit den Hass in die Mehrheit
tragen und so das Land ins Chaos stürzen.
"NAtionales Desaster"
Der Chef des größten venezolanischen Erdölunternehmens PDVSA, Ali
Rodriguez, warnte die Organisatoren des Generalstreiks unterdessen
vor einem "nationalen Desaster". Der Ausstand habe die Erdölförderung
und Ausfuhr derzeit zum Erliegen gebracht. Falls Venezuela in diesem
Monat seine vertraglich zugesicherten Lieferungen nicht einhalten
könne, kämen auf das Land Strafen in Höhe von bis zu sechs Milliarden
US-Dollar (Euro) zu. Rodriguez forderte die in der Erdölindustrie
Beschäftigten eindringlich auf, zur Arbeit zurückzukehren. Venezuela
ist bei einer Tagesproduktion von 2,5 Millionen Barrel der weltweit
fünftgrößte Erdölexporteur.
Aeropostal will Streik unterstützten
Ungeachtet der Warnungen schlossen sich auch die Beschäftigten der
größten venezolanischen Luftfahrtgesellschaft Aeropostal dem
Generalstreik an. "Wir werden 60 nationale und internationale Flüge
aus Unterstützung für den Streik absagen", kündigte ein
Arbeitnehmervertreter an. Er forderte zugleich die zwei anderen
nationalen Airlines Acerca und Avensa auf, sich dem Ausstand
anzuschließen.
Unterstützung erhielten die Chavez-Kritiker indirekt aus
Washington. US-Außenamtssprecher Richard Boucher sprach sich für
Wahlen als Teil einer Lösung der politischen Dauerkrise aus. Chavez'
Position ist bereits seit Monaten umstritten: Der 48-jährige
Ex-Putschist war unter dem Eindruck einer landesweiten Protestwelle
im April vorübergehend zum Amtsverzicht gezwungen worden.(APA)
Forum:
Ihre Meinung zählt.
Die Kommentare im Forum geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion behält sich vor, Kommentare, welche straf- oder zivilrechtliche Normen verletzen,
den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen
(siehe ausführliche Forenregeln),
zu entfernen. Benutzer:innen können diesfalls keine Ansprüche stellen.
Weiters behält sich die STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H. vor, Schadenersatzansprüche
geltend zu machen und strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.