Broukal: "Ich werde in nächster Zeit der Frage nachgehen, was die SPÖ tun muss, um für Leute interessanter zu werden, deren größte Sorge ist, ob sie zu Weihnachten auf den Arlberg oder auf die Hohen Tauern Schifahren gehen."

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,sagt der Ex-ORF-Moderator und Politik-Neueinsteiger Josef Broukal. Mit ihm sprach Martina Salomon.
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STANDARD: Haben Sie noch immer Lust, Minister zu sein? Broukal: Ich habe unendliche Lust etwas zu gestalten, wo immer das auch ist. STANDARD: Eine große Koalition schreckt sie nicht ab? Broukal: Nein, aber es kommt darauf an, was sie inhaltlich zu bieten hätte. Die SPÖ muss sich in ihren Anliegen wieder- erkennen können. STANDARD: Ist die SPÖ reif zu regieren oder braucht sie Zeit für ihren Erneuerungsprozess? Broukal: Natürlich ist sie reif genug. Es ist ja nicht so, dass man nicht auf Leute mit Erfahrung zurückgreifen könnte. Auch die derzeitigen Regierungsmitglieder wurden nicht als Minister geboren. STANDARD: Sollte sich die SPÖ weiter links positionieren? Broukal: Ich kann mit diesen Begriffen nichts anfangen. STANDARD: Welche Rolle sollen die Gewerkschaften spielen? Manche in der SPÖ meinen, der ÖGB sollte bei einer roten Regierungsbeteiligung nicht den Sozialminister stellen. Broukal: Egal wo der Sozialminister herkommt - angelobt wird er darauf, der ganzen Republik zu dienen. Und das haben die "ÖGB"-Sozialminister immer getan. STANDARD: Muss die SPÖ den ÖGB mehr hereinholen? Broukal: Eine gute Gesprächsbasis zu einer Organisation mit 1,5 Millionen Mitgliedern ist nie von Übel. Die große Herausforderung für den ÖGB ist, sich von einer Vertretung der Vollzeitarbeitsplatzinhaber weiterzuentwickeln und sich auch um die hunderttausenden atypisch Beschäftigten zu kümmern. STANDARD: Das ist aber eine leise Kritik am ÖGB. Broukal: Überhaupt nicht. Es gibt eine Reihe von Sozialproblemen, die nichts mehr zu tun haben mit der klassischen unbefristeten Anstellung im 40-Stunden-Job. Und da muss der ÖGB mit. STANDARD: Womit könnte die SPÖ Jungwähler locken? Broukal: Nicht locken - man muss Politik machen, in der sie sich wiedererkennen. Ich werde in nächster Zeit der Frage nachgehen, was die SPÖ tun muss, um für Leute interessanter zu werden, deren größte Sorge ist, ob sie zu Weihnachten auf den Arlberg oder auf die Hohen Tauern Schifahren gehen. STANDARD: Meinen Sie das zynisch? Broukal: Nein. Diese Leute gilt es auch anzusprechen. Ich frage mich, wie ein Angebot aussehen kann, damit Leute, die von der Politik fast nichts erwarten außer ein grundlegendes well-being, die SPÖ wieder interessant finden. STANDARD: Das heißt, wenn Sie nicht Minister werden, wollen sie Vordenker werden. Broukal: Jessas Na. Vordenker ist die Jugendstufe von Nachkeppler, und das will ich nicht sein, bitte!! Ich möchte mitdenken und mich darum kümmern, dass wir breiter und weiter werden. Mir geht’s nicht darum, dass ich ab und zu irgendwo einen Artikel schreiben darf, wo dann alle sagen: Bumm, mutig...! STANDARD: Und wie holt man FPÖ-Wähler ins SPÖ-Boot? Broukal: Das ist für mich nach wie vor ein ungelöstes Rätsel. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass man Menschen wie die Frau Riess-Passer nicht mit einem Herrn Stadler konfrontieren soll. Schüssel hat es geschafft, das fein säuberlich zu trennen. STANDARD: Aber hier haken die SPÖ-Kritiker ein, die meinen, dass die SPÖ zu sehr Neinsager-Partei geworden ist und zu wenig inhaltliche Alternativen aufgezeigt hat. Broukal: Die einzige Partei, die im Wahlkampf inhaltlich etwas angeboten hat, war die SP. STANDARD: Was wäre für die SPÖ besser aus ihrer persönlichen Sicht: Regieren oder Opposition? Broukal: Nur regieren, damit fünf Leute auf ihren Visitenkarten Bundesminister stehen haben: Das ist es nicht. Es muss zum Beispiel mehr geschehen für Arbeitsplätze, und es muss eine kleine Steuerreform geben. STANDARD: Juniorpartner zu sein ist aber immer eine gefährliche Sache. Broukal: Um so mehr muss man darauf achten, dass die eigene Handschrift erkennbar bleibt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.12.2002)