"Verwundert" über rechtliche Probleme mit Temelin-Protokoll - Reichhold: Chancen für Kopenhagen gestiegen
Redaktion
,
Brüssel/Wien - "Ich bin sehr enttäuscht", sagte Außenministerin
Benita Ferrero-Waldner (V) am Dienstag Nachmittag nachdem der
EU-Außenministerrat weder über die Verlängerung des Transitvertrages
noch über die Verankerung des Melker Protokolls über
Sicherheitsmaßnahmen im AKW Temelin im Beitrittsvertrag eine Einigung
erzielen konnte. Es sei "nichts anderes übrig geblieben", als das
Verkehrs- und das Energiekapitel wieder zu öffnen und beide Themen
auf den EU-Gipfel von Kopenhagen zu tragen, sagte die Ministerin.
Ferrero-Waldner ließ sich auf keine Spekulationen darüber ein, was
geschehen könnte, falls es in Kopenhagen keine Einigung geben sollte.
Sie wolle nichts mit anderen Dingen verknüpfen: "Wir sprechen nicht
von einer Blockierung der Erweiterung", die Kapitel "müssen einer
Lösung zugeführt werden". Auf die Frage, was sich bis zum EU-Gipfel
am Freitag ändern könne, sagte sie, es sei "etwas anderes" wenn so
ein Thema beim Gipfel behandelt werde. Ferrero-Waldner ist aber
"nicht bereit, einen schlechten Kompromiss auf dem Rücken der
österreichischen Bevölkerung mitzutragen".
Österreich hätte die Umsetzung der Beschlüsse des EU-Gipfels von
Laeken gefordert, also die Verlängerung des Ökopunktesystems mit
Gültigkeit für das ganze Bundesgebiet, sagte Ferrero-Waldner. "Nach
langen Verhandlungen" habe sie noch eine "Alternative" vorgelegt,
wonach Österreich zusätzlich bei den modernsten Lkw "eine gewisse
Flexibilität" hätte zeigen können, solange die Umweltbilanz sich
nicht verschlechtere. Darauf seien "die Kollegen" aus den anderen
EU-Staaten aber "nicht eingestiegen".
Atomstaaten gegen Verankerung
Die Verankerung des Melker Protokolls im Beitrittsvertrag ist mit
Tschechien abgesprochen und wird von diesem Land auch nicht in Frage
gestellt. Einige Staaten, "vor allem Atomstaaten", hätten sich aber
am heutigen Dienstag gegen die Verankerung im Vertrag ausgesprochen
und nur eine einseitige Erklärung Österreichs vorgeschlagen. Das sei
aber "zu wenig". Österreich habe in den letzten Jahren auf mehreren
Ebenen auf diese Frage hingewiesen und habe "immer die zur
Kenntnisnahme der anderen EU-Länder bekommen". Deshalb sei es
erstaunlich, dass jetzt rechtliche Probleme entstanden seien. Der
juristische Dienst habe nun einen neuen Vorschlag eingebracht, der
noch geprüft werden müsse.
Sie habe hier "stundenlang gekämpft, um österreichische
Sensibilitäten erklärbar zu machen". Bundeskanzler Wolfgang Schüssel
(V) "hätte sich sehr gefreut", wenn es am heutigen Tag eine Einigung
in den beiden Fragen gegeben hätte, meint Ferrero-Waldner, die
bezweifelt, dass sich Schüssel den Abschluss der Transitverhandlungen
absichtlich für Kopenhagen aufgehoben habe.
Zur Frage eines Datums für Beitrittsverhandlungen mit der Türkei
hat sich Österreich "im Detail noch auf keine Position festgelegt",
sagte Ferrero-Waldner weiters. "Wir glauben, dass die EU-Kommission
gefordert ist". Wenn die Zeit reif sei und die Türkei die politischen
Kriterien erfülle, dann solle die EU-Kommission einen Bericht machen.
Bisher gebe es nur eine "etwas negative" Einschätzung der
EU-Kommission.
Reichhold: Chancen für Kopenhagen gestiegen
Als richtig bezeichnete Verkehrsminister Mathias
Reichhold (F) die harte Linie Österreichs hinsichtlich der
Transitfrage. "Der eingeschlagene Weg stimmt", verkündete Reichhold
in einer Parteiaussendung. Es müsse nicht nur im Westen, sondern auch
im Osten Österreichs zu einer deutlichen Reduktion des
Transitverkehrs kommen, stellte der Verkehrsminister weiters fest.
Eine Transitbeschränkung müsse vor der Erweiterung solange
aufrechterhalten bleiben, bis die EU ihre Hausaufgaben gemacht habe.
So müsse es zur Schaffung einer Wegekostenrichtlinie nicht nur über
die Alpen, sondern auch im Ballungszentrum Wien kommen. Die Chancen,
(beim EU-Gipfel) in Kopenhagen die österreichischen Forderungen
durchzubringen, seien mit dem Scheitern der Einigung in Brüssel
gestiegen. Europa sei jetzt klar, daß Österreich ernst mache. "Vor
einer Erweiterung wollen wir eine nachhaltige Verkehrspolitik
sicherstellen." (APA)
Forum:
Ihre Meinung zählt.
Die Kommentare im Forum geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion behält sich vor, Kommentare, welche straf- oder zivilrechtliche Normen verletzen,
den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen
(siehe ausführliche Forenregeln),
zu entfernen. Benutzer:innen können diesfalls keine Ansprüche stellen.
Weiters behält sich die STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H. vor, Schadenersatzansprüche
geltend zu machen und strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.