Peking droht Taiwan trotz besser gewordener bilateraler Beziehungen für den Fall einer Unabhängigkeitserklärung weiterhin mit Krieg. Separatisten seien "die größte Bedrohung für Frieden und Stabilität in der Taiwan-Straße", heißt es im neuen Weißbuch zur Landesverteidigung. Daher "werden wir nicht der Anwendung von Gewalt abschwören".In dem 90-seitigen, vom Staatsrat zu Wochenbeginn veröffentlichtem Dokument wird die Option auf Gewalt - anders als im letzten Weißbuch 2000 - jedoch nicht mehr als Druckmittel benutzt, um Taiwan zur Aufnahme "baldiger" Gespräche über eine Wiedervereinigung zu zwingen. Auch für Chinas Strategen sind seit dem 11. September 2001 die alten Gefahrenanalysen in den Hintergrund getreten. Heute zählen sie grenzüberschreitende Kriminalität, den Niedergang der Umwelt oder den Drogenschmuggel auf, "besonders der Terrorismus stellt eine reale Gefahr für die globale und regionale Sicherheit da". Rebellische Uiguren China stellt sich im Weißbuch am Beispiel seiner aufständischen Uiguren "auch als ein Opfer" dar. Es will sich daher mit regionalen und internationalen Bündnissen künftig noch stärker am globalen Kampf und an UN-Missionen gegen alle Formen des Terrorismus beteiligen. Aktionen müssten jedoch strikt unter dem Dach der Vereinten Nationen bleiben. Ohne die USA und den drohenden Irak-Krieg zu nennen, warnt das Weißbuch davor, Terrorismus "mit einer spezifischen Nation oder Religion gleichzusetzen und bei seiner Bekämpfung doppelte Standards anzuwenden". Peking misstraut den USA, zu denen es seine militärischen Kontakte seit Oktober 2002 wieder normalisiert hat, in der Frage der Raketenabwehr (TMD). So "bedauert" China die Aufkündigung des ABM-Vertrages und "sorgt sich", dass "bestimmte Länder" (USA und Japan) an einem über Nordostasien installiertem Raketenschild weiterarbeiten und forschen könnten. "Wir wenden uns entschieden gegen jedes Land, das Taiwan mit TMD schützt und beisteht." Sparsam mit Zahlen Chinas Armee soll "kleiner, aber besser ausgebildet" werden und erhält mehr Geld. Die 2,5-Millionen-Armee soll im Rahmen der "aktiven Verteidigung" instand gesetzt werden, "lokale Kriege unter modernen Hightech-Bedingungen zu gewinnen". Mao Zedongs Volkskrieg-Doktrin bleibt trotz Modernisierung der Armee Bestandteil der Reservistenstrategie. Das Weißbuch gibt aber weder über die moderne Bewaffnung noch über die an der Küste gegenüber Taiwan stationierten 350 bis 400 Mittelstreckenraketen Chinas Auskunft, noch veröffentlicht es viele Zahlen. Es nennt nur die Höhe des offiziell ausgewiesenen Militäretats. Armeefachleute der USA gehen von einer in anderen Haushaltstiteln versteckten doppelten bis dreifachen Summe aus. Erstmals wird gesagt, dass sich die offiziell ausgewiesenen Militärausgaben "auf Grundlage des kontinuierlichen Wirtschaftswachstums etwas erhöht haben": 2002 hat China für seine Armee 169 Milliarden Yuan (20,4 Mrd. Euro) nach 144 Mrd. 2001 ausgegeben, eine Zunahme des Militärhaushalt, die prozentual doppelt so hoch wie das Wirtschaftswachstum ausfiel. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 11.12.2002)