"Vaterländisches Bilderbuch" widmet sich dem Faschismus österreichischer Prägung - Bilder der Opfer bleiben jedoch ausgespart
Redaktion
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Wien - Männer mit Uniform auf der Bühne, hinter der Bühne
eine überdimensionale Fahne. Nur das Kruckenkreuz statt dem
Hakenkreuz zeigt auf dem Umschlag der jüngsten Publikation des
Salzburger Historikers Robert Kriechbaumer an, dass der Leser sich
ins Österreich und nicht ins Deutschland der dreißiger Jahre des 20.
Jahrhunderts begibt. Kriechbaumer hat in Moskau im Archiv der
"Vaterländischen Front", der Einheitsorganisation des Regimes im
christlichen Ständestaats, geforscht. Als Ergebnis hat er nun im
Böhlau-Verlag ein "Vaterländisches Bilderbuch" mit 263
Schwarz-Weiß-Fotos vorgelegt.
Die Bilder zeigen Menschenmassen am Heldenplatz bei einer
Gedenkkundgebung für den im Juli 1934 ermordeten Dollfuß, sie zeigen
ein überdimensionales Kruckenkreuz am Parlament, sie zeigen Buben und
Mädchen von "Jung Vaterland" bei Aufmärschen mit und ohne Uniform.
Deutlich wird aber auch die Verankerung im Katholizismus, etwa wenn
die Soldaten der Garde beim Befehl "Zum Gebet" in Reih und Glied
niederknien. Im Bildteil schließlich ist - als "Präludium" zu den
späteren Entwicklungen - auch vom Bürgerkrieg im Februar 1934 und den
Zerstörungen die Rede.
Keine Bilder der Opfer
Die Verlierer und Gegner des Regimes bleiben allerdings in Wort
und Bild ausgespart. Zumindest für den Bildteil begründet
Kriechbaumer dies mit der Verwendung offizieller Quellen, die der
"Selbstinszenierung" der Vaterländischen Front gedient haben.
Im Textteil bestätigt der Autor, dass die Ähnlichkeiten des
Auftretens der verschiedenen Regime kein Zufall sind. "Der
imitationsfaschistische Charakter der Vaterländischen Front wurde in
der Ästhetisierung und öffentlichen Choreografie der Politik mit
ihren Appellen, Beschwörungen, Schwüren, Weihen, Gesten und ihrer
Führergläubigkeit deutlich." An die Vorbilder in Deutschland und
Italien konnten die Ständestaats-Kanzler Engelbert Dollfuß und Kurt
Schuschnigg aber nicht anschließen. Die Ursache dafür sieht der Autor
in der ideologischen Verankerung des Ständestaates im Katholizismus
sowie in der weiteren Eigenständigkeit der kirchlichen
Organisationen.
Bild-Theorie
Kriechbaumer liefert zu den Bildern auch einen theoretischen
Hintergrund, einerseits über das Medium Fotografie, andererseits über
Wurzeln und Entwicklung des Ständestaates und der Vaterländischen
Front. Im "Spektrum der autoritären Regime" siedelt Kriechbaumer den
Ständestaat im "autoritären Korporatismus" an, vergleichbar mit dem
Regime Francos in Spanien.
Die politische Geschichte bleibt im Begleittext freilich
ausgespart. Im Mittelpunkt der Darstellung steht die Frage nach den
Parametern für den Erfolg einer - faschistischen - Massenbewegung
sowie der Personenkult um den von den Nazis ermordeten Kanzler
Dollfuß, an den Schuschnigg nicht anschließen konnte. (APA)
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