Kopenhagen - US-Außenminister Colin Powell hat die EU unmittelbar vor Beginn des Gipfeltreffens in Kopenhagen aufgefordert, der Türkei ein kräftiges Signal für die Bereitschaft zur Aufnahme zu geben. Wie Dänemarks Außenminister Per Stig Möller am Donnerstag im Fernsehen mitteilte, hatte ihm sein US-Kollege diese Botschaft am Telefon übermittelt.USA verspricht sich militärische Hilfe in Irak-Frage Powell erhöhte damit den Druck aus Washington auf die 15 Staats- und Regierungschefs, nachdem Präsident George W. Bush innerhalb der letzten acht Tage allein zwei Mal den dänischen Ministerpräsidenten und derzeitigen EU-Ratspräsidenten Anders Fogh Rasmussen angerufen hatte. Als Hintergrund gilt das starke politische Interesse der USA an einer Hilfestellung der Türkei bei möglichen Militäraktionen gegen den Irak. Als unmittelbarer Nachbar des Irak hat sich die Türkei gegenüber einem militärischen Eingreifen bisher reserviert gezeigt. Fogh mahnt: Kandidatenländer müssen zu Kompromissen bereit sein Der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen hat mit einer Verschiebung der EU-Erweiterung gedroht, falls die Beitrittskandidaten keine Kompromissbereitschaft zeigen. Am Vorabend des Gipfels, der am Donnerstag in Kopenhagen stattfindet, sagte der EU-Ratsvorsitzende: "Es ist Zeit für einen Kompromiss." US-Präsident George W. Bush drängte die EU unterdessen erneut, der Türkei eine konkrete Beitrittsperspektive zu geben. Rasmussen sagte vor einem Treffen der europäischen Liberalen am Mittwochabend: "Wir werden die Verhandlungen mit denjenigen abschließen, die dazu bereit sind." Er fügte hinzu: "Ich hoffe, das werden alle zehn sein." Die Erweiterung könne aber auch verzögert werden. Er bekräftigte, das Finanzpaket über 40 Milliarden Euro, das die Mitgliedstaaten den Beitrittskandidaten anböten, sei nicht die Basis für weitere Verhandlungen, sondern die Obergrenze. Keine kleinlichen Streitereien Der dänische Ministerpräsident mahnte, die Wiedervereinigung des europäischen Kontinents 13 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer dürfe nicht an kleinlichen Streitereien über technische Details scheitern. Zuvor hatte bereits EU-Kommissionspräsident Romano Prodi in Brüssel erklärt: "Dies ist eine Zeit für Enthusiasmus und nicht für bürokratische Entscheidungen." Auch er rief sowohl Mitgliedstaaten als auch Beitrittsländer zu Flexibilität angesichts der historischen Entscheidung auf. Rasmussen schrieb in seinem Einladungsbrief an die EU-Staats- und Regierungschefs, er erwarte harte Verhandlungen. Die Präsidentschaft sei darauf vorbereitet, den zweitägigen Gipfel bis zum Wochenende auszudehnen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Beim Gipfel sollen die Beitrittsverhandlungen mit acht mittel- und osteuropäischen Staaten sowie Malta und Zypern abgeschlossen werden. Probleme gibt es vor allem noch mit Polen und Malta, während die Verhandlungen mit Zypern, der Slowakei und Estland bereits beendet sind. Verhandlungen mit Türkei nur bei Kriterienerfüllung Hinsichtlich der Türkei betonte Rasmussen in Kopenhagen, ihr könnten nur dann Beitrittsverhandlungen angeboten werden, "falls und wenn sie die Beitrittskriterien erfüllt". Das habe er auch Bush mitgeteilt, der den dänischen Ministerpräsidenten in einem Telefongespräch am Mittwoch auf den strategischen Vorteil einer EU-Mitgliedschaft der Türkei hingewiesen hatte. Rasmussen bekräftigte aber das beiderseitige Interesse daran, die westlich gesinnten Reformkräfte in der Türkei zu unterstützen. Deutschland und Frankreich machen sich dafür stark, der Türkei in Kopenhagen Beitrittsverhandlungen für Juli 2005 in Aussicht zu stellen, sofern sie bis Ende 2004 die Kriterien erfüllt. Rasmussen wollte noch nicht sagen, ob beim Gipfel ein Datum genannt werden wird. (APA/dpa/AP)