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Hebt sich farblich ab: Schweiz hat mit mit Micheline Clamy-Rey eine Aussenministerin

Foto. APA/EPA/ Monika Flueckiger
Die Sozialdemokratin Micheline Calmy-Rey wird erste Schweizer Außenministerin. Sie löst Anfang 2003 Joseph Deiss ab, der ins Volkswirtschaftsministerium wechselt. Der bisher für die Volkswirtschaft zuständige Pascal Couchepin schließlich wird neuer Innenminister. Diese Neuverteilung der Ressorts hat der Schweizer Bundesrat am Mittwoch beschlossen.

Erstmals steht damit eine Frau an der Spitze des Schweizer Außenministeriums. Calmy-Rey war vergangene Woche in den Bundesrat gewählt worden, als Nachfolgerin der abtretenden Ruth Dreifuss (DER STANDARD berichtete). Die so genannte Departementsverteilung ist ein traditionelles Ritual in der Schweizer Innenpolitik. Die Regierung besteht nicht wie anderswo üblich aus einem starken Regierungschef, der seine Fachminister auswählt, sondern aus sieben Bundesräten und -rätinnen, die vom Parlament nach den geschriebenen und ungeschriebenen Regeln der Schweizer Konkordanzpolitik gewählt werden. In erster Linie wird dabei nicht auf das Fachwissen geachtet, sondern auf eine gerechte Vertretung der Parteien und Landesteile.

Liberale Elemente

Die Bundesräte entscheiden danach in einer geheimen Sitzung selber, wer welches Ministerium übernimmt. Dabei hat der amtsälteste Bundesrat den Vorrang, während das amtsjüngste Mitglied - in diesem Fall eben Micheline Calmy-Rey - mit dem vorlieb nehmen muss, was übrig bleibt. Die jetzige Rochade wird als Stärkung der freisinnigen Partei FDP gewertet, die neben dem Finanzministerium nun ein weiteres Schlüsselressort übernimmt.

Das Innenressort mit den Themen Sozial- und Gesundheitspolitik, Bildung, Forschung und Kultur verfügt über fast ein Drittel des Schweizer Staatshaushalts von 50 Milliarden Franken (34 Mrd. Euro). Insbesondere in der Sozialpolitik dürften nun vermehrt liberale, marktwirtschaftliche Elemente Einzug halten; die abtretende SP-Innenministerin Ruth Dreifuss hatte sich trotz Wirtschaftskrise und neoliberalem Gegenwind beharrlich gegen einen Abbau der Sozialleistungen gewehrt. "Die FDP erhält mehr Macht, doch übernimmt sie auch ein größeres Risiko, da derzeit in der Sozialpolitik kaum Lorbeeren zu holen sind", kommentierte der Politologe Andreas Ladner diesen Wechsel. Mit Einschnitten bei Krankenversicherung oder Altersvorsorge könne man sich nicht beliebt machen.

Andererseits sehen sich auch die Sozialdemokraten nicht als Verlierer. "Wir hätten uns zwar weiterhin das Innenministerium gewünscht, doch ist es keine politische Niederlage, dass wir nun die Verantwortung für die Außenpolitik übertragen erhalten", sagte der SP-Sprecher Jean-Philippe Jeannerat zum STANDARD. "Schließlich sind wir die einzige Partei, die sich immer klar für eine außenpolitische Öffnung und für einen EU-Beitritt eingesetzt hat."

Zwar ist die Schweiz mittlerweile auch UNO-Mitglied, doch die europapolitische Annäherung ist blockiert: Ein EU-Beitritt ist in weiter Ferne, und auch bei der derzeit laufenden zweiten Runde der bilateralen Verhandlungen ist Sand im Getriebe.

"Die Schweiz muss außenpolitisch klar aktiver werden, damit wir innerhalb Europas nicht isoliert werden. Dafür wird sich Micheline Calmy-Rey einsetzen", verspricht SP-Sprecher Jeannerat. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.12.2002)